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© Nolde Stiftung Seebüll

Emil Nolde: Drama im Blütenkelch

Raues Klima: Die Emil-Nolde-Stiftung Berlin zeigt Blumenbilder des großen Expressionisten.

Wer hätte nicht schon in Wartezimmern gesessen, dekoriert mit Emil- Nolde-Plakaten! Besonders die großformatigen Blumenbilder eignen sich hervorragend. Manfred Reuther, Direktor der Nolde-Stiftung im nordfriesischen Seebüll und so auch der Nolde-Dependance in der Berliner Jägerstraße, weicht der Frage „Kitsch oder nicht“ nicht aus. Mit der soeben eröffneten Ausstellung „Mein Garten voller Blumen“ weist er vielmehr überzeugend nach, dass Nolde (1867- 1956) alles andere als ein Maler des Gemütvollen war – sogar bei Blumen.

Sie rangierten bei ihm in traditioneller Weise am Ende der Skala vom Figurenbild über die Landschaft bis „hinunter“ zum Stillleben. In seiner Reifezeit, zwischen 1909 und 1915, hat er auf Blumenmotive bewusst verzichtet. Auch sonst blieben die Grenzen stets fließend. Manches Werk, das unter den diesmal in den wunderschönen Räumen gezeigten 26 Gemälden und 17 Aquarellen zu finden ist, könnte auch in andere thematische Übersichten passen.

So die frühe „Unterhaltung im Garten“ von 1908, die – noch ganz dem Postimpressionismus verpflichtet – Ehefrau Ada und den Hamburger Grafiksammler Gustav Schiefler zeigt. Allerdings gerahmt, ja geradezu überflutet von sommerlichen Blumen, die in Kleid und Tisch organisch Fortsetzung finden. Später dann, in den beiden Gemälden „Herbstglühen“ und „Herbstgarten“ von 1925, weitet Nolde kühn den Blick aus der Nahperspektive der farbkräftigen Blumen – oder doch Bäume? – in den gewittrigen Himmel. Die Kombination von Nah- und Fernsicht unter Aussparung des traditionell bildbestimmenden Mittelgrundes verwendet Nolde des Öfteren und macht so die „Dramatik“ der Natur, von der er gern spricht, als etwas sichtbar, das dem Kleinsten wie dem Grüßten der Natur innewohnt. In seinen Gärten, die er von Alsen über Utenwarf bis zum heute vielbesuchten Atelierhaus in Seebüll erschafft, sind die üppigen Blumenbeete einem rauen, widrigen Klima abgerungen, gegen Wind und Sturm geschützt, unter endlosem Himmel. „Mohn und rote Abendwolken“, 1943 und ungeachtet des Malverbots der Nazis als stattliches Ölbild entstanden, bringt das Nahe und Ferne in farblichen Einklang, ohne es zu verlieblichen, ganz im Gegenteil.

Nicht alle Bilder sind gleichermaßen geglückt. So finden die Stillleben von Blumen und exotischen Statuetten, die er seit seiner Südseereise 1913/14 sammelte, keine kompositorische Einheit. Nolde musste nicht reisen, um die Natur in all ihren Farben, ihrer Verschwendung und auch ihrer Bedrohlichkeit zu erleben. Es genügte ihm der Garten, ab 1926 in Seebüll. Gerade unter diesem Blickwinkel sind die Blumenbilder – wie die vorangegangenen Nolde-Auswahlen des Hauses von einem vorzüglichen Katalog begleitet – tatsächlich keine liebliche Dutzendware und schon gar kein Kitsch, sondern große Kunst des Expressionismus.

Nolde Stiftung Seebüll, Dependance Berlin, Jägerstraße 55, bis 14. Juni. Katalog bei DuMont, 29,95 €. Das Veranstaltungsprogramm findet sich unter www.nolde-stiftung.de

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