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''Gilded Age'': Geld und Geschmack

Künstlerische Innovationen sind in der Ausstellung dieser hoch bezahlten Auftragskunst nicht zu erwarten; sie sind aber auch nicht ausgeschlossen. Amerika in Hamburg: Porträts des "Gilded Age".

Nach dem Bürgerkrieg wandelten sich die USA im rasanten Tempo von einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft. Wagemutige Unternehmungen erbrachten ungeheure Vermögen, im Eisenbahnwesen, der Stahlproduktion, dem Finanzsektor. Noch waren diese Unternehmungen persönlich, hinter ihnen standen Familien, ja Dynastien. Und dementsprechend muss man sich die Kunstproduktion des „Gilded Age“, des „vergoldeten Zeitalters“ vorstellen. Damals kam das Wort von den „modernen Medici“ auf. Es waren Unternehmer, Bankiers und gewiss auch manch einer der sprichwörtlichen „robber barons“, die sich und ihre Familien in repräsentativen Bildnissen verewigen ließen. Die Kunst, die zuvor ein Nischendasein in den USA geführt hatte, trat mit einem Mal ins gesellschaftliche Rampenlicht.

Dieser Kunst und mit ihr einer ganzen Epoche ist die Ausstellung gewidmet, die das Bucerius Kunst Forum in Hamburg jetzt als zweiten Teil seiner Trilogie zur amerikanischen Malerei präsentiert. Es ist ein Kapitel, das hierzulande überhaupt nicht bekannt ist und auch in Amerika selbst nicht im Mittelpunkt der Museumssammlungen steht. Lagen die künstlerischen Meriten doch stets im Schatten der glamourösen Lebensgeschichten, die sich mit den Porträtierten verbanden. Über den Verdacht gefälliger Salonmalerei ist die kluge Auswahl Barbara Dayer Gallatis vom Brooklyn Museum New York allerdings erhaben.

Gewiss, künstlerische Innovationen sind in der Ausstellung dieser hoch bezahlten Auftragskunst nicht zu erwarten; sie sind aber auch nicht ausgeschlossen. Immerhin zählt ein Schwergewicht wie James McNeill Whistler zu den Protagonisten der Auswahl. Auch die Impressionistin Mary Cassatt ist mit einem Porträt vertreten, genau wie Frank Duveneck. Und natürlich ist der bedeutendste Porträtist der US-Großbourgeoisie vertreten – mit vier unter den insgesamt 44 ausgestellten Gemälden seinem Rang entsprechend denn auch am stärksten: John Singer Sargent. 1856 in Florenz geboren, 1925 in London gestorben, kam er nur besuchsweise in die Staaten, wo er gleichwohl eine Fülle repräsentativer Aufträge erledigte, darunter die berühmten Wandgemälde für die Bostoner Public Library. Sargent hat in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Neubewertung erfahren, sodass die Ausstellung sich mit der Herausstellung dieses Künstlers auf sicherem Terrain bewegt.

In gewisser Weise der Antipode Sargents war William Merritt Chase, der für die Etablierung eines eleganten, künstlerisch allerdings gemäßigten amerikanischen Impressionismus steht. Chase ist auf einem der besten Porträts der Ausstellung zu sehen, gemalt von Thomas Eakins. Sein ungemein präzise beobachtetes Bildnis des Kollegen Chase unterstreicht seinen Rang als einen der bedeutendsten amerikanischen Künstler des späten 19. Jahrhunderts.

Ein weiteres Werk fällt aus dem farbfrohen Reigen der Hamburger Bildnisgalerie heraus: das kleinformatige, geradezu schmerzlich distanzierte Bildnis der in sich versunkenen Helena de Kay von Winslow Homer von 1871/72. Homer ist schlichtweg der Gigant der US-Malerei zwischen Bürgerkrieg und Beginn der Moderne – nur ist er eben nicht als Porträtist und schon gar nicht als Auftragsmaler der Großbourgeoisie hervorgetreten.

Vielleicht war der Ehrgeiz der Kuratorin zu stark darauf gerichtet, kunsthistorisch herausragende Werke herbeizubringen. Denn um große Kunst ging es den Auftraggebern nicht, sondern um die Darstellung ihres gesellschaftlichen Ranges. So ist denn das eingängigste Bild der Ausstellung auch kein Porträt im eigentlichen Sinne, sondern eine liebenswerte Genreszene: „An Bord der Yacht ,Namouna‘, Venedig“, gemalt 1890 von Julius LeBlanc Stewart. Der Spross einer reichen Familie stellte seinen eleganten Freundeskreis im Stil der französischen Salonmalerei dar – Malerei als Zeitvertreib unter Freunden, die alle mit dem sprichwörtlichen „goldenen Löffel im Mund“ zur Welt gekommen waren. Dass man Geschmack gleichwohl auch erwerben kann, nicht nur als Besitz, sondern als persönliche Fähigkeit, zeigen die qualitativ durchweg bestechenden Leihgaben der Hamburger Ausstellung.

Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, Hamburg, bis 31. August, Katalog im Hirmer Verlag, 24,80 €.

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