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Ursula Prinz

© Wolff

Kuratorin Ursula Prinz: Was bleibt, wenn sie geht?

Ursula Prinz gehört zu den festen Größen des Berliner Kunstbetriebs. Nach mehr als 30-jähriger Kuratorentätigkeit verlässt sie nun die "Berlinische Galerie".

Wer in diesem Sommer auf Kunstreise geht, dem flattern von Venedig bis Kassel die üblichen Flyer mit Einladungen zu anderen Ausstellungen entgegen. Schaut der Kunstflaneur hingegen zu Boden, könnte sein Blick an einem Aufkleber hängenbleiben, der ihn dann kreuz und quer durch Europa verfolgt. „Neue Heimat. Berlin Contemporary“, ist da zu lesen. Und darunter: „Berlinische Galerie“.

Ursula Prinz hat ihre diebische Freude an diesem Coup. „Das ist unsere Guerillataktik“, erklärt die stellvertretende Direktorin des Berliner Museums für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur. Sie lacht ihr keckerndes Lachen, das man von Vernissagen, Diskussionsabenden und Künstlergesprächen kennt. Die Werbekampagne für ihre letzte Ausstellung in der Berlinischen Galerie hat eine Menge von ihr selbst: Auf den ersten Blick könnte man sie übersehen, dann aber springt sie einem überall ins Auge. Die zierliche Museumsfrau mit der Vorliebe für hohe Absätze gehört zu den festen Größen des Berliner Kunstbetriebs – eigentlich unvorstellbar, dass ihre Tätigkeit als Kuratorin nun nach dreißig Jahren enden soll.

In ihrem Büro im ersten Stock der ehemaligen Glasfabrik, in der die Berlinische Galerie seit drei Jahren logiert, herrscht geschäftiges Treiben. Das Telefon klingelt unentwegt. Hier muss Ursula Prinz einem Kunstverkäufer die Flausen austreiben („Wir haben kein Geld!“), da von einem Boten Pakete entgegennehmen. Die Vorbereitung für ihre Ausstellung läuft auf Hochtouren, die Künstlerliste steht so gut wie fest, die ersten Pressetexte sind gedruckt. „Die Ausstellung ist mein Abschiedsgeschenk an die Berlinische Galerie“, erklärt Ursula Prinz.

Gleichzeitig ist die Übersichtsschau mit 27 in Berlin lebenden Künstlern auch als eine Art Wink mit dem Zaunpfahl gemeint, „als Hinweis darauf, dass es in diesem Sinne an der Berlinischen Galerie weitergeht“. Denn das Museum genießt zwar einen ausgezeichneten Ruf als Hort für die Kunst des Dadaismus, als Aufbewahrungsstätte für Nachlässe von Künstlern der Zwanziger Jahre, als Pflegeheim der Malerei der Neuen Wilden. Aber ausgerechnet in der Gegenwartskunst, für die Berlin international als erste Adresse gilt, ist das Haus schwach aufgestellt.

Mit der Ausstellung „Neue Heimat“ will die Berlinische Galerie zugleich in der Diskussion um die Kunsthalle Stellung beziehen, denn der Bedarf resultiert gerade aus einem Mangel an fest etablierten Örtlichkeiten für aktuelle Kunst. Wie schwer es selbst fest bestallte Kämpfer für die Sache haben, bekam Ursula Prinz immer wieder am eigenen Leib zu spüren. Bei der Neueinrichtung der Berlinischen Galerie gelang es ihr nur mit Mühe, einen eigenen Raum für das Zeitgenössische abzuzwacken, den sie programmatisch „Now“ nannte. Mit ihrer Verabschiedung wird dem kleinen Saal dieser Sonderstatus entzogen, er wird der allgemeinen Sammlungspräsentation einverleibt. Das kleine Schaufenster für die Gegenwart schließt sich damit.

Nicht um Ursula Prinz, eher um die Zukunft der Galerie muss man sich also sorgen, zumindest in zeitgenössischer Hinsicht. Doch auch darauf reagiert die 64-Jährige nur mit ihrem glucksenden Lachen. Es betrifft sie nicht mehr. Die Kunsthistorikerin, die in Florenz über die italienische Renaissance promovierte, fürchtet sich nicht vor der Pensionierung. „Ich habe mich noch nie gelangweilt“, erklärt sie. „Höchstens in langweiligen Sitzungen, davon gab es hier genug.“

Trotzdem nahm die gebürtige Berlinerin, die gemeinsam mit Angela Schneider – der heutigen stellvertretenden Direktorin der Neuen Nationalgalerie – im Mies- van-der-Rohe-Bau volontierte, das Angebot der Berlinischen Galerie gerne an. „An der Neuen Nationalgalerie haben wir nur mit den Stars gearbeitet. In der Berlinischen Galerie konnte ich mehr entdecken, mehr selber machen“, resümiert sie. Für die Kuratorin besteht der Reiz gerade in der Begegnung mit den lebenden Künstlern; als Korrektiv dient ihr die klassische kunsthistorische Ausbildung.

„Viele Künstler denken, sie erfinden alles neu – was nicht stimmt. Das meiste fußt auf den Pioniertaten des frühen 20. Jahrhunderts. Es kommt nur darauf an, wie man es variiert.“ Deshalb ist ihr rückblickend die „Paarungen“-Ausstellungsreihe besonders wichtig, in der sie neue mit alter Kunst kombinierte – ähnlich wie es jetzt auf der Documenta in Kassel unter dem Leitmotiv „Migration der Formen“ geschieht.

Um einen Perspektivwechsel ging es ihr auch in der Reihe „Korrespondenzen“, in der sie Berliner Künstler mit Kollegen aus Italien, Schottland, den USA und Schweden zusammenführte, als „Blick über den Tellerrand“, wie sie sagt. Längst hat sich diese Art der Gegenüberstellung überlebt, denn heute kommt die (Kunst-) Welt ohnehin nach Berlin: Viele Ausländer haben ihre Ateliers in die Stadt verlegt. So stammen die Teilnehmer der Abschiedsausstellung aus verschiedensten Nationen, haben aber eines gemeinsam: den Wohnsitz Berlin. Der Ausstellungstitel „Neue Heimat“ – in Anspielung auf die abgewickelte Wohnungsgesellschaft des DGB – ist durchaus ironisch zu verstehen.

Von Mona Hatoum wird hier die Installation „Mobile Home“ zu sehen sein: Zwischen zwei Absperrungsgittern bewegt sich ein ganzer Hausstand – Tisch, Stuhl, Koffer, Schmusetier – an Drahtseilen hin und her. Heimat als feste Größe ist heute für niemanden mehr garantiert. Auch Ursula Prinz verliert ein Stück davon, wenn sie die Berlinische Galerie Ende September verlässt. In Berlin bleibt sie trotzdem.

Die Ausstellung „Neue Heimat“ wird am 12. September eröffnet.

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