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Jud Süß

© dpa

Nazi-Propaganda: "Jud Süß" wird enttarnt

Joseph Goebbels hatte den NS-Hetzfilm in Auftrag gegeben, als Vorlage wurde der gleichnamige Roman von Lion Feuchtwanger missbraucht. Eine Stuttgarter Ausstellung zeichnet nun alle Geschehnisse um den Film nach.

Darf ein Museum üble Nazi-Propaganda ausbreiten? Lässt sich ein Film ausstellen? Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart macht es. Am antisemitischen Hetzwerk "Jud Süß" von 1940 will das Museum Macht und Missbrauch des Mediums Film im Nazi-Staat erklären. Ziel sei es, den perfiden und propagandistisch geschickt operierenden Film zu enttarnen, betont Ausstellungsleiterin Paula Lutum-Lenger. "Jud Süß - Propagandafilm im NS-Staat" ist bis 3. August 2008 in Stuttgart zu sehen.

Goebbels: "Der Saal rast. So hatte ich es mir vorgestellt."

Reichspropagandaminister Joseph Goebbels liebte "Jud Süß", schließlich hatte er den Film selbst in Auftrag gegeben. "Der Film hat einen stürmischen Erfolg. Der Saal rast. So hatte ich es mir vorgestellt", schrieb er 1940 in sein Tagebuch. Es sei "der erste wirklich antisemitische Film". 20 Millionen sahen ihn allein in Deutschland, gezeigt wurde er am Ende in 21 Ländern. Heinrich Himmler ordnete später an, ihn allen Polizisten und der gesamten SS zu zeigen. KZ-Insassen berichteten von "Sonder-Denkzetteln" nach der Vorführung. Heute steht der Film unter Vorbehalt und darf nicht ohne Kommentar gezeigt werden.

In einer Kulisse, die an einen dunklen Keller mit Bretterverschlägen erinnert, werden sechs Sequenzen des Films in historischen Dokumenten gespiegelt. Auf rund 600 Quadratmetern werden Filmplakate, Drehbücher, Druckwerke oder historische Filmgeräte aus den Studios in Babelsberg gezeigt. 16 Mal wird der rund einstündige Film in den nächsten Monaten aber auch in voller Länge vorgeführt, jeweils mit sachkundiger Einführung und anschließender Diskussion. "Das Thema und dessen Darstellung sind erklärtermaßen schwierig, aber gerade da sehen wir die echte Herausforderung für uns, eine lebendige Begegnung mit einem Thema der Landesgeschichte zu ermöglichen", sagte Thomas Schnabel, Leiter des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg.

"Jud Süß" fand mehrfach Erwähnung in Kunst und Literatur

"Jud Süß" bedient sich der historischen Figur des württembergischen Finanzrates Joseph Süss Oppenheimer (1698-1738). Nach dem Tod seines Auftraggebers und Förderers, Herzog Karl Alexander von Württemberg, wurde er vor rund 270 Jahren abgeurteilt und 1738 als Opfer eines Justizmordes vor den Toren Stuttgarts hingerichtet. Die Geschichte Oppenheimers fand sich immer wieder in Kunst und Literatur. 300.000 Mal verkaufte sich zwischen 1925 und 1933 allein der Roman von Lion Feuchtwanger. Zuvor hatte sich auch Wilhelm Hauff 1827 dem Thema in einer Novelle angenommen. Eine eindeutig antisemitische Stoßrichtung erhielt die Geschichte aber erst mit dem Nazi-Film von Veit Harlan (1899-1964).

Reich, verschlagen und bösartig - ganz im Sinne Goebbels bedient der Film alle üblen Vorurteile gegen Juden. Filme allgemein waren für den Propaganda-Chef der vielleicht wichtigste Machtfaktor. Er bezeichnete sie als "Waffe im totalen Kampf unseres Volkes". Die "Jud Süß"-Schauspieler versuchten sich später aus der Verantwortung zu ziehen - auch das zeichnet die Ausstellung in Stuttgart nach. Regisseur Harlan wurde nach dem Krieg am Landgericht Hamburg der Prozess gemacht. Vom Vorwurf der "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" wurde er freigesprochen. Ein Zusammenhang zwischen den Aufführungen des Films und dem Morden an Juden sei nicht festzustellen. (nal/dpa)

Roland Böhm[dpa]

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