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Das größte Museum der Welt. Chinas umgebautes Nationalmuseum am Platz des Himmlischen Friedens wird die Schau beherbergen.

© CABR Arch itectural Design Institute, GMP International

Ausstellungs-Export: Traum der Vernunft in China

Projekt der Superlative: Deutsche Museen bringen 2011 "Die Kunst der Aufklärung" nach Peking. Um einen solchen Galaauftritt in der Mitte des Reichs der Mitte hätten sich auch der Louvre, der Prado und alle großen Museen von Rom bis St. Petersburg gerissen.

Es ist für die deutschen Museen der größte Ausstellungsexport aller Zeiten. Zur Eröffnung des von den Hamburger Architekten Meinhard von Gerkan, Volkwin Marg und Partner neugestalteten und erweiterten Chinesischen Nationalmuseums auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking werden im Frühjahr 2011 die Staatlichen Museen zu Berlin, die Kunstsammlungen Dresden und die Bayerische Staatsgemäldesammlung aus München „Die Kunst der Aufklärung“ präsentieren.

Aufklärung, Menschenrechte, Meinungsfreiheit – dargestellt auf dem berühmt-berüchtigten Tiananmen Platz? Vor den Fragezeichen stehen zunächst mal die Ausrufezeichen. Wie sich das am zentralen Ort der neuen Weltmacht gehört, geht es um ein Projekt der Superlative. Das Nationalmuseum ist mit knapp 200 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche das größte Museum der Welt (zum Vergleich: die Ausstellungsräume des geplanten Berliner Stadtschlosses würden dort zehnmal reinpassen).

Zwar werden die ausgewählten Exponate der drei deutschen Sammlungen davon nur 2700 Quadratmeter einnehmen. Dies aber an prominentester Stelle. Um einen solchen Galaauftritt in der Mitte des Reichs der Mitte hätten sich auch der Louvre, der Prado und alle großen Museen von Rom bis St. Petersburg gerissen. Und die Ausstellung, die ungewöhnlicherweise mehr als zwölf Monate dauern soll und mit zahlreichen deutsch-chinesischen und internationalen Diskussionsveranstaltungen, Symposien und einem dreijährigen Austausch chinesischer und deutscher Nachwuchswissenschaftler verbunden wird, steht unterm Patronat der Präsidenten beider Länder sowie der Regierungschefs Wen Jiabao und Angela Merkel. Mehr geht nicht. Oder doch?

Bei einer ersten gemeinsamen Pressekonferenz im Chinesischen Kulturzentrum in Berlin waren die verantwortlichen Museumsleiter aus Deutschland und China, die Vertreter des mitbeteiligten Auswärtigen Amts, der für das Begleitprogramm zuständigen Stiftung Mercator und des privaten Hauptsponsors BMW allesamt „rundum glücklich“. So sagte es allen voran Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz; wie auch sein Kollege Huang Zhenchun aus der Generaldirektion des Chinesischen Nationalmuseums bezeichnete er das Vorhaben als einen Meilenstein der interkulturellen Kooperation, des „gemeinsamen Dialogs“.

Vor allem dem engagierten Dresdener Direktor Martin Roth, der schon vor drei Jahren mit seinen Partnern in Berlin und München deutsche Landschaftsmalerei aller Epochen kombiniert mit Bildern von Gerhard Richter nach Peking gebracht hatte, verdankt sich der nun noch um vieles ambitioniertere Auftritt des preußisch-bayerisch-sächsischen Trio triomphal. Berlin, Dresden, München wollen in Peking 579 Exponate zeigen aus der Epoche der europäischen Aufklärung im 17., 18. und 19. Jahrhundert: von der messingblitzenden Vakuumpumpe aus dem naturwissenschaftlichen Labor bis zu Antoine Watteaus noch höfischer „Gesellschaft im Freien“ (aus der Berliner Gemäldesammlung), von Goyas die Nachtseiten von Aufklärung und Gegenaufklärung skizzierendem Capricho „Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer“ bis zu Gottlieb Schicks Berliner Porträt der klassizistischen Bürgerin in Farben und Kopfputz der Französischen Revolution.

Die erste Frage der Pressekonferenz galt freilich sofort der aktuellen Brisanz des Themas Aufklärung: In wenigen Tagen werde der Friedensnobelpreis an den prominentesten Häftling Chinas, den Aufklärer Liu Xiaobo vergeben – wie wollen die Ausstellungsmacher diesen Konflikt mit den Werten der Aufklärung in Peking behandeln? Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, antwortete auf die offenkundig erwartete Frage: Es gehe, wie der Titel der Ausstellung schon sage, um die „Kunst der Aufklärung“, nicht um Kommentare zu gegenwärtigen politischen Ereignissen. Dafür sei die Politik, namentlich „das Auswärtige Amt zuständig“.

Nachdem in der Pressekonferenz auch Kant zitiert und der Universalismus der Menschenrechte beschworen wurde, war diese Auskunft, zu der Herr Zhang nur milde lächelte, so entschieden wie kurz. Und natürlich verkürzt, weil Museen zwar Werke der Vergangenheit zeigen, sie aber in jeder neuen Ausstellung auch im lebendigen Kontext präsentieren. Sonst wären Museen nur Leichenhallen und die Werke ohne ihre Weiterwirkung nur mumifiziert. So will das letzte der neun geplanten Ausstellungskapitel unterm Stichwort „Die Revolution der Kunst“ auch „Schlaglichter auf die Kunst der Gegenwart“ werfen und nach dem aktuellen „Erbe der Aufklärung“ fragen.

Der Titel „Die Kunst der Aufklärung“ ließe sich mit Brecht’scher List im doppelten Sinn verstehen. So wird der Geist der Ausstellung auf dem vom ehemaligen Kaiserpalast, dem Mao-Mausoleum und dem KP-Parlamentsgebäude gesäumten Tiananmen-Platz wohl wesentlich auch von den Rahmenveranstaltungen geprägt werden. Unter der Ägide des Tübinger Sinologen Michael Lackner sowie von Wolf Lepenies und dem Autor Tilman Spengler wird dabei wohl auch daran erinnert werden, dass in Voltaires Arbeitszimmer einst das Bild von Konfuzius hing.

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