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Bonaventure Ndikung, Chef von Savvy Contemporary.

© Mike Wolff

Ausstellungsmacher Bonaventure Ndikung: Die Welt ist größer

Bonaventure Ndikung ist der Gründer des Projektraums Savvy Contemporary. Er kämpft in Berlin um Räume für die Kunst und arbeitet für die Documenta. Eine Begegnung.

Die hohe Kunst der Allgegenwart, Bonaventure Ndikung treibt sie gerade zur Perfektion. Dass man ihn im Leerlauf antrifft – ein rarer Moment. Ndikung sitzt im Garten des Kulturcampus’ Silent Green, sein Projektraum Savvy Contemporary ist im Januar in den Keller des ehemaligen Krematoriums gezogen. Viel zu tun, wenig Mittel. Zusätzlich wirkt der promovierte Biotechnologe an der Documenta 14 in Kassel mit, die ihn vor einem Jahr als Kurator berufen hat. Dann gibt es noch ein „kleines Projekt in Dänemark“ – und zahllose Reisen an jeden Arbeitsplatz.

Die übrige Zeit steckt Ndikung in seine Ideen. Er denkt ständig darüber nach, welche Themen relevant sind und wie sich Ausstellungen dazu realisieren lassen. Zuletzt ging es im Sommer in „The Incantation of the Disquieting Muse“ um Religion, Metaphysik und Spiritualität. Ein globales, mäanderndes Projekt, das vom Goethe-Institut und der Kulturstiftung des Bundes unterstützt wurde. Aktuell startete im Savvy Contemporary vor wenigen Wochen die Filmreihe „How Does The World Breathe Now?“, die Ausstellung „If all of the Moons Aligned“ über multiperspektivische Geschichtsschreibung wird am heutigen Freitag eröffnet.

Zwei Winter ohne Heizung

Die Geschichte des Projektraums klingt nach einem unaufhaltsamem Erfolg. 2009 in einem kleinen Ladenlokal in Neukölln gestartet, gehörte Savvy Contemporary zu den ersten Off Spaces, die 2013 vom Land Berlin für ihre Arbeit ausgezeichnet wurden. Völlig zu Recht, denn vor der Gründung fehlte der Stadt etwas. Bonaventure Ndikung, 1977 in Kamerun geboren und 1997 zum Studieren nach Berlin gekommen, fand die hiesige Kunstszene „interessant, aber auch veraltet“. Die Diskurse seien „extrem westlich, starr und eurozentrisch“ gewesen. Es gab und gibt die Notwendigkeit einer neuen Ausstellungspraxis, betont der Kurator: „Man geht in die Museen und sieht ziemlich oft weiße, männliche Positionen. Ich habe nichts dagegen, aber die Welt ist größer.“

In den Ausstellungen von Savvy Contemporary wächst die Perspektive, jede ergänzt Positionen aus dem Westen mit weiteren „Nicht-Westlichen“. Das Preisgeld war eine Anerkennung dafür, von den 30 000 Euro leistete man sich im selben Jahr einen Umzug in das weit größere Rixdorfer Umspannwerk. „Wir haben das Geld investiert, indem wir umgezogen sind“, rekapituliert Ndikung. „Wir dachten, in der Halle werden wir noch besser wahrgenommen.“ Nicht bloß künstlerisch. Der Umzug sollte auch Appell sein für eine feste finanzielle Förderung. Tatsächlich waren unter den Besuchern zahlreiche Politiker, die sich ein Bild von den Bedingungen machen konnten – das Umspannwerk hatte keine Heizung, das Team finanziell oft klamm. Bis ihm nach zwei Wintern bei strammen Minusgraden die Geduld ausging. Silent Green als neue Adresse kam da gerade recht.

Umzug von Neukölln in den Wedding

Hier stimmt das Umfeld, und die Nachbarn – das Filmarchiv des Arsenals etwa oder das Harun-Farocki-Institut – sind perfekte Adressaten für künftige Kooperationen. „Ein fruchtbarer Ort, an dem man arbeiten kann“, findet Bonaventure Ndikung. Aufhorchen lässt sein nächster Satz: „Man merkt, dass die Politiker hier ein bisschen offener sind.“ Denn noch etwas hat sich geändert: Savvy Contemporary ist nicht länger in Neukölln zu Hause. Mit dem Umzug wechselte der Raum in den Wedding.

Ein Verlust für Neukölln. Der Projektraum hat schließlich nicht bloß Geld gewollt, sondern sich auch engagiert. Seit 2010 gab es Initiativen im Quartier: „Wir sind in Neukölln an die Schulen gegangen und mit einer Klasse bis nach Schweden gereist“, erzählt Ndikung. Mehr als verbale Unterstützung sei vom Bezirk jedoch nie zurückgekommen. Auch nicht 2014 nach einer viertägigen Konferenz aus Anlass der Besetzung der Gerhard- Hauptmann-Schule durch Flüchtlinge. „Da haben wir überlegt, wen man im künstlerischen Rahmen interdisziplinär zusammenbringen kann und Künstler, Kuratoren, Psychologen, Rechtsanwälte, Designer und Vertreter der Polizei eingeladen.“

Der ewige Kampf ums Geld

Der Umzug erweist sich auch als Kapitulation vor der Wirklichkeit. Dabei ist Ndikung kein Träumer. Nach der Gründung von Savvy Contemporary hat er weiter in seinem Beruf gearbeitet: „Mir war klar, dass ich den Projektraum finanzieren muss.“ Einen Teil seines Gehalts investierte der Ingenieur. „Die Hoffnung war, dass die Stadt nach ein paar Jahren sieht: Ihre Bürger entwickeln Eigeninitiative und schaffen etwas, das man unterstützen kann. Dazu ist es leider nicht gekommen.“

Noch macht Savvy Contemporary weiter, das Team schreibt tapfer Anträge zur Finanzierung, bringt die Miete allmonatlich wieder zusammen und lässt eine thematische Ausstellung auf die nächste folgen. Wenn man Bonaventure Ndikung jedoch nach der Perspektive fragt – einen Mann, auf den sie bei der Documenta auch deshalb aufmerksam wurden, weil er in Berlin eine fantastische Arbeit macht –, kommt eine bedenkliche Antwort: „Ich habe den Eindruck, dass man in Berlin denkt, die Leute betreiben ihren Projektraum so oder so. Irgendwann macht man das aber nicht mehr.“ Die finanzielle Unterstützung durch Bund und Land nennt er ein Glück. Aber ein punktuelles, das nichts an der grundsätzlichen Situation ändert. „Die Frage ist, wie lange wir durchhalten. Ohne uns wäre Berlin eine ärmere Stadt.“

Savvy Contemporary, Kunstquartier Silent Green, Plantagenstr. 31. Eröffnung „If all of the Moons Aligned“: 23.9., 19 Uhr

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