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Kultur: Ausstellungsreihe "Ortsbegehung": "paper marks" im Neuen Berliner Kunstverein: Arbeiten von Marc Brandenburg, Ursula Döbereiner und Ueli Etter

Kürzlich hat der Kritiker David Levi Strauss bemerkt, vielen Künstlern drohe die Verwandlung in "globale Dorftrottel", weil sie sich "nur noch auf globale Formen stürzen, die zum größten Teil banal und inhaltslos sind". Eine solche Verwandlung ist bei der Künstlerin Ursula Döbereiner im Gange, wenn nicht bereits vollzogen.

Kürzlich hat der Kritiker David Levi Strauss bemerkt, vielen Künstlern drohe die Verwandlung in "globale Dorftrottel", weil sie sich "nur noch auf globale Formen stürzen, die zum größten Teil banal und inhaltslos sind". Eine solche Verwandlung ist bei der Künstlerin Ursula Döbereiner im Gange, wenn nicht bereits vollzogen. Sie zeigt vergrößerte Umrisszeichnungen von Personen, Kleidung, Taschen. Dabei bleibe, so der diesjährige Kurator der "Ortsbegehung", Harald Fricke, "in den zur Kenntlichkeit entstellten Statussymbolen eine Ahnung des daran gekoppelten Fetischismus erhalten".

Klischee antwortet auf Klischee. Doch das wiegt für die Ausstellung leicht. Denn wenn ein Kurator zwei Künstler in den weißen Kubus schickt und ihr Werk sichtbar konkurrieren lässt, braucht er einen Dritten als Puffer. Diese Rolle fiel der Künstlerin zu. Mit dem Werk von Ueli Etter und Marc Brandenburg verbindet Döbereiner nichts als die Tatsache, dass auch sie zeichnet. Der Kurator bedient sich eines Hitchcock-Tricks und inszeniert einen makellosen MacGuffin, der die Aufmerksamkeit der Besucher auf das formal-ästhetische Spiel um "die Zeichnung heute" lenken sollte, während das Wesentliche bei den beiden Kontrahenten geschieht. Aus der Perspektive dieses Doppelspiels gewinnt die Schau Kontur.

Harald Fricke, Kultur-Redakteur bei der "taz", sollte drei junge, noch wenig bekannte Berliner Künstler aus Berlin gleichberechtigt nebeneinander vorstellen. Daran hatten sich seit 1995 fast alle seine Vorgänger der Ausstellungsreihe "Ortsbegehung" mit wechselndem Erfolg gehalten. Fricke weicht davon ab. Ging es bei fast allen Vorläufern um Formales (die Installation, die Malerei, die Fotografie, das Pop-Revival), so fixiert diese Ausstellung den Topos Arkadien aus schwuler Sicht. Das Thema wird in Berlin von Piotr Nathan seit langem unübertroffen bearbeitet und rankt sich unüberschaubar in noch unveröffentlichten Arbeiten in dessen Atelier weiter, hat aber bereits in einer monumentalen Wandzeichnung in der Hamburger Kunsthalle einen prominenten Ort gefunden. Bei Nathan geht es um die Verflechtung von Traum und Versprechen mit Gefahr und Todesdrohung. Letzteres wird mit forcierter Idyllisierung überbetont und entschärft.

Darin folgen ihm Brandenburg und Etter auf je eigenen Wegen. Der Schweizer Ueli Etter arbeitet an der Darstellung eines Paradieses für Dienstleistungen, dem er den übergreifenden Titel "Der Park" gegeben hat. Davon sind manche Zonen "Spielwiesen für Sex, Gewalt, Tod". Der ausgreifenden Freitzeitfiktion mit verschiedenen Aktivitäts- und Dienstabteilungen fügte er nun einen Baustein hinzu und stellte in die Mitte des Raums ein sternförmiges Gehäuse, das durch eine enge Öffnung zugänglich ist. Darin hängen Zeichnungen von abgetrennten Armen, denen die Haut abgezogen wird, vornübergebeugten Zirkusartisten und Figuren, deren Glieder sich an andere anstöpseln lassen. Der Raum hat eine vage Ähnlichkeit mit dem Altberliner Urinoir, das Attila Richard Lukacs zur "documenta" 1992 im Gestrüpp der Karlsaue nachinszeniert hatte. Dieses wahrte die Ambivalenz zwischen Gebrauch und Anschauung, Etters Gehäuse ist lediglich eine Kunstinstallation.

Marc Brandenburg baute für sein bereits in der Wolfsburger Gruppenschau "German Open" gezeigtes Projekt "Tiergarten" einen großen "Darkroom" und präsentiert einen kleinen Fries aus von hinten erleuchteten glühenden Zeichnungen von Blumen, Büschen, Bäumen. Auf manchen Blättern erscheint Brandenburg selbst und sieht aus, als wäre der Zöllner Rousseau in Platons Ruheraum auferstanden. Die Größe dieses Raums im Verhältnis zu den kleinen Zeichnungen hat Sinn. Aus der Ferne meint man Röntgenbilder zu sehen, erst aus der Nähe erschließt sich der Dschungel. Visuell ist dies der stärkste Beitrag, obschon die konzeptuelle Tragweite Etters größer ist. Zwar handelt es sich um schwule Thematik (der Park, die Klappe, der Darkroom, das Sternsymbol), aber sie wird als Variable von Arkadien allgemeinverständlich vorgeführt, erweitert das Repertoire des Darstellbaren und lässt sich mit kleinen Traditionen dieses Gebiets verbinden. Daher ist die Schau ein Muss für Kunst- und Gartenfreunde, die Arkadien noch nicht historisiert haben. Pech für die Künstlerin, deren schwacher Beitrag von der Dominanz des Themas marginalisiert wird.

Peter Herbstreuth

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