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Der Fondaco dei Tedeschi, die frühere Handelsniederlassung der Deutschen, befindet sich heute in privater Hand.

© IMAGO

Ausverkauf in Italiens Städten: Alles muss raus

Italien verscherbelt Kulturbauten. Auch prächtige Palazzi in Venedig werden nicht verschont. Zu den prominenten Beispielen gehören die Ca Corner della Regina und der Fondaco dei Tedeschi.

Venedig macht Schlagzeilen. Buchstäblich in letzter Minute, in den letzten Tagen des alten Jahres, ist es der Lagunenstadt gelungen, ihr riesiges Haushaltsloch zu schließen – auf umstrittene Weise allerdings. La Serenessima hat für 40 Millionen Euro die Ca’ Corner della Regina, einen barock-klassizistischen Palast am Canal Grande, an den Modekonzern Prada verkauft. Gleichzeitig hat sich eine andere private Mode- und Finanzgruppe, die Familie Benetton, den Fondaco dei Tedeschi gesichert – das historisch bedeutende, im 13. Jahrhundert errichtete Handelszentrum der deutschen Kaufleute, gleich neben der Rialtobrücke.

Insgesamt 53 Millionen Euro hat Benetton schon 2008 beim Kauf der früheren Hauptpost hingelegt, diesmal sind es sechs Millionen Euro Nutzungsgebühr mehr: Benetton will den Fondaco zum Luxuskaufhaus umbauen. Und während Denkmalschützer gegen Kommerzialisierung und Privatisierung öffentlichen Kulturguts protestieren (siehe Interview), freut sich Venedigs Bürgermeister Giorgio Orsoni, dass endlich mal ein venezianischer Palazzo nicht in ein Hotel umgewandelt wird.

Venedig ist nur ein Beispiel für das, was landauf, landab passiert. Nach dem Scheitern jahrelanger zentraler Privatisierungsversuche – Experten und Medien kritisierten die Verschleuderung kulturell wertvollen Erbes – hatte die letzte Regierung von Berlusconi im Sommer die Zuständigkeiten auf Regionen, Landkreise und Gemeinden übertragen. Damit sprengte sie – so der Kunsthistoriker Salvatore Settis – „die Front des Widerstands nach dem Motto ,teile und herrsche‘“. Gleichzeitig kürzte Rom den Körperschaften die staatlichen Mittel im Zuge der Haushaltssanierung, so dass der Verkauf öffentlicher Liegenschaften unvermeidlich wurde.

Die Säulen des Tempels von Herakles bei Agrigent auf Sizilien.
Die Säulen des Tempels von Herakles bei Agrigent auf Sizilien.

© picture alliance

Nun versuchen Regionen und Gemeinden, alles Mögliche loszuwerden, ohne große Unterschiede zu machen: Straßenwärterhäuschen und triste Vorstadt-Appartements ebenso wie alte Adelspaläste, Naturreservate, aufgegebene Klöster, Kasernen, historische Forts oder verlassene Gefängnisse. „Wertsteigerung“ heißt die Parole, für die auch – in einem oft undurchsichtigen, nur vom finanziellen Ertrag bestimmten Verfahren – hergebrachte Bau- oder Nutzungsbeschränkungen aufgehoben werden.

Da sind aus verflossenen Zeiten staatlicher Nutzung beispielsweise Parkplätze in Zonen übrig geblieben, in denen heute keine mehr angelegt werden dürften. Den Tourismus, sagt etwa die Regionalverwaltung in der Küstengegend von Genua, wolle man durch die Freigabe solcher Anlagen und alter Gemäuer fördern: „Private Unternehmer sind heute die Einzigen, die noch investieren.“ Im September bezifferte Giulio Tremonti, der Finanzminister der letzten Regierung Berlusconi, den Marktwert der öffentlichen Immobilien Italiens auf 420 Milliarden Euro; auf 37 Milliarden Euro taxierte er die „Kulturgüter“. Die Grenzen zwischen beiden Bereichen sind allerdings nicht klar gezogen, ein Inventar fehlt. Und welchen Marktwert haben Stätten vom Rang eines Weltkulturerbes, an denen Italien so reich ist?

Die Ca Corner della Regina gehört nicht mehr der öffentlichen Hand.
Die Ca Corner della Regina gehört nicht mehr der öffentlichen Hand.

© Promo

Im sizilianischen Agrigent versucht das gerade der Bürgermeister herauszufinden. Auf seinem Stadtgebiet liegen weltberühmte griechische Tempel, sie rangieren – nach Pompeij – auf Platz zwei der meistbesuchten antiken Stätten Italiens. Gegen Beiträge zur Restaurierung soll nun nicht nur die Marke „Tal der Tempel“, sondern womöglich auch die Nutzung der gesamten Anlage an private Luxus- oder Modekonzerne versteigert werden.

Italien gilt als das Land mit den meisten Kulturschätzen weltweit. 43 Orte sind Weltkulturerbe, unzählige weltliche und kirchliche Bauwerke sowie 60 000 archäologische Fund- und Ausgrabungsorte belegen seinen Rang in der Geschichte der Zivilisation, der Kunst und Kultur Europas. Für die Pflege seiner Schätze hat Italien aber weniger Geld übrig als die anderen europäischen Staaten: Der Anteil der Kulturausgaben am Staatshaushalt ist in den letzten fünf Jahren auch noch von 0,28 auf 0,19 Prozent gesunken. Die ständigen Einstürze in Pompeji sind längst ein Sinnbild für die fundamentale Vernachlässigung der eigenen kulturellen Substanz.

Das Kuriose ist, dass der Staat bei seinem jetzigen Verkauf öffentlicher Güter nicht einmal unbedingt spart. Im apulischen Foggia zum Beispiel hat das Innenministerium vor sechs Jahren eine exzellent erhaltene Kaserne aus dem 19. Jahrhundert an den Fonds einer Bank verkauft und dabei elf Millionen Euro eingenommen. Gleichzeitig nutzte der Staat den Bau als Polizeischule und Bürobau weiter – wenn auch nur noch zu 15 Prozent – und zahlt dafür eine Jahresmiete von knapp 1,2 Millionen Euro.

Heute allerdings sucht die neue Universität Foggia händeringend nach Platz – und sie ist dabei, die Kaserne in staatliche Hände zurückkaufen. 16,5 Millionen Euro wollen die privaten Eigentümer dafür haben. Mit anderen Worten: Die Bank gewinnt immer. In der Krise sowieso.

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