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Kultur: "Ausweitung der Kampfzone": Halbwach

Die frohe Botschaft zuerst: Michel Houellebecq ist gekommen. Er war da.

Die frohe Botschaft zuerst: Michel Houellebecq ist gekommen. Er war da. Mit eigenen Augen haben wir ihn gesehen. Leibhaftig saß er auf dem Podium des LCB, eingerahmt von der Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel und dem Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel. Aber war er anwesend: er, der eine lange Freitagnacht in der Volksbühne vergeblich erwartet wurde, sehnsüchtig, von einer riesigen Fangemeinde? Michel Houellebecq, seit "Ausweitung der Kampfzone" und "Elementarteilchen" zum Kultautor avanciert, ist ein Liebhaber des Ozeanischen. Die Regression, das Versinken und Ertrinken, ist seine Vorstellung vom Glück. Der Moment, wenn das Bewusstsein kippt, seliges Entzücken an der (möglichst perfekt gerundeten) Brust einer Frau: Das ist das Ziel, auf das er hinschreibt. Mit den sprachlichen Mitteln des 19. Jahrhunderts und den naturwissenschaftlichen Modellen des 20.

Das konnte nicht gut gehen. Schläfrigen Auges, mit Mühe nur, schien Houellebecq sich am oberen Rand seines Bewusstseins festzukrallen. Und Sigrid Weigel, die mit allem Recht der Welt darauf setzt, dass Literatur auch heute, wo Fun und Kult den seriösen Diskurs abgelöst haben, formal beschrieben werden muss, war hilflos. Da saß er nun endlich da, bereit für Fragen, höflich und verlegen auch, und dann verwendete man die knappe Zeit darauf, aus seinen Büchern vorzulesen. Mal der Autor selbst im gedämpften Singsang seiner Pathos und Lakonie verbrüdernden Sprache, mal der Übersetzer des jüngst auf deutsch erschienenen Gedichtbands "La poursuite du bonheur". Das wäre nicht nötig gewesen. Denn die da zuhörten, waren Fans, also Textkundige. Manche hielten die Bücher in der Hand und lasen mit, verzweifelt gegen die schwülstige Theatralik von Schmidt-Henkels Stimme ankämpfend.

Sigrid Weigel wollte etwas beweisen. Das war ihr Fehler. Und so kam kein Gespäch zustande, auch wenn ihre Beobachtung richtig war. "Elementarteilchen" ist ein Roman, der einem strengen Kompositionsprinzip folgt. Dem Modell der Komplementarität, wie es Niels Bohr in seiner Kopenhagener Deutung vorgeschlagen hat. "Elementarteilchen" ist, obwohl er sich für das Thema der neuen LCB-Reihe "Das Wissen der Literatur anzubieten scheint, gerade nicht geeignet. Es ist ein existenzieller Text, auf der Jagd nach dem Glück. Diese Lesart haben die Fans mit Murren und Füßescharren verteidigt. Und auch der Autor selbst, mit seinen Mhms, Ähems und Hhms, den nur scheinbar bedeutungslosen "Unschlüssigkeitsgeräuschen", wie Hinrich Schmidt-Henkel treffend übersetzte.

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