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Kultur: "Ausweitung der Kampfzone": Michel Houellebecqs "Stenogramm einer gesellschaftlichen Verstörung"

Das ist schon ein befremdlicher und programmatischer Titel, den Michel Houellebecqs 1998 erschienener Roman trägt: "Ausweitung der Kampfzone". Und "Kampfzone" ist für den jungen Informatiker, der bei einer Pariser Software-Firma arbeitet, alles.

Das ist schon ein befremdlicher und programmatischer Titel, den Michel Houellebecqs 1998 erschienener Roman trägt: "Ausweitung der Kampfzone". Und "Kampfzone" ist für den jungen Informatiker, der bei einer Pariser Software-Firma arbeitet, alles. Alles, was ihn ständig bedrängt, isoliert und immer weiter in die Enge, schließlich in den Wahnsinn treibt: die idiotischen Kollegen und Vorgesetzten, die ihm Aufträge geben, die in seinen Augen idiotisch sind, die sich auf idiotischen Büropartys vollquasseln und begrabschen, während er sich volllaufen lässt und kotzt, sein Auto nicht mehr findet und in seiner Wohnung lebt wie in einer Isolationszelle. "Kampfzone", das ist vor allem aber sein Verhältnis, oder besser oder schlechter: sein Nichtverhältnis zu Frauen, die er nur noch mit dumpfem Hass begehren kann und die ihn deshalb mit Nichtachtung, mit Verachtung strafen. Auf einer Dienstreise in die Provence, wo er mit einem Unglückswurm von Kollegen, auf den er all seinen Selbsthass entlädt, Schulungsvorträge hält, kommt es zur Katastrophe: Er versucht den Nicht-Freund zu einem Mord an einem am Strand kopulierenden Paar anzustiften. Der Freund "versagt" auch dabei und kommt unmittelbar darauf bei einem Autounfall ums Leben - Michel verliert mit dieser Nichtbeziehung seine letzte Bindung und wird Patient in der Psychiatrie. Houellebecqs schnörkelloses, kompromissfreies Buch ist das literarische Stenogramm einer gesellschaftlichen Verstörung, die er mit im Wahnsinn weit aufgerissenen Augen schonungslos registriert - bis zur Selbstaufgabe.

Hellmuth Karasek

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