zum Hauptinhalt
Rehberger

© dpa

Auszeichnung für Tobias Rehberger: Krise, Kunst, Cappuccino

Die Biennale di Venezia ehrt den Bildhauer Tobias Rehberger mit dem Goldenen Löwen.

„Was du liebst, bringt dich auch zum Weinen“ hat der Bildhauer Tobias Rehberger seinen Beitrag für die 53. Biennale di Venezia genannt. Ihm selbst stand das Lachen ins Gesicht geschrieben, als er den Goldenen Löwen als bester Künstler entgegennahm. Die Jury hatte nicht etwa eine klassische Skulptur, ein Gemälde, eine Installation oder eine Videoarbeit prämiiert, sondern die Neueinrichtung der Biennale-Cafeteria, ein Novum in der 114-jährigen Geschichte der Weltausstellung.

Und doch handelt es sich um ein veritables Kunstwerk. Das fünfköpfige Gremium lobte Rehbergers Transformationsakt, mit dem er ein gewöhnliches Café in Kunst verwandelt und „soziale Kommunikation zu ästhetischer Praxis“ wird. Tatsächlich fühlt sich so mancher Besucher der Cafeteria anschließend eher plümerant als gestärkt, da er sich angesichts der schrillen Farben und schrägen Formen, aus denen das Mobiliar besteht, kaum noch auf seinen Imbiss konzentrieren kann. Als Effekt ist es durchaus intendiert, dass er sich als lebendes Inventar einer Installation fühlt.

Zum lachenden Sieger gesellte sich bei der Preisverleihung Daniel Birnbaum hinzu, der Kurator der Biennale-Sonderausstellung. Denn auch er hat Anteil an der Ehrung, ging die Umgestaltung des Cafés als Teil der „Fare Mondi. Weltenmachen“-Schau im Palazzo delle Esposizioni und im Arsenale doch auf ihn zurück. Als Direktor der Frankfurter Städelschule hatte er mit Tobias Rehberger einen seiner Professoren eingeladen, ebenso Rirkrit Tiravanija für die Gestaltung des Biennale-Buchladens. Mochte mancher darin einen Akt unter „Amici“ vermuten, so hat Birnbaum doch einen glücklichen Griff getan und vor allem für die Ausstellungshallen einen bleibenden Beitrag geleistet. Sowohl Cafeteria als auch Buchladen werden nach dem Ende der Biennale im November nicht wieder abgebaut wie die aufwendigen Inszenierungen in den Pavillons, sondern überdauern, da fortan das ganze Jahr über die Räume in den Giardini genutzt werden sollen.

Der Goldene Löwen an den 43-jährigen Nürnberger ist noch in anderer Hinsicht bezeichnend. Hier wird nicht die reine Kunst gepriesen, wie etwa beim Preis für den amerikanischen Pavillon, in dem Bruce Nauman eine museumswürdige Ausstellung erhalten hat, sondern angewandte Kunst, die Schnittstelle zum gelebten Leben. In den Pavillons selbst schien gerade dies merkwürdig fern. Allein das skandinavische Künstlerpaar Elmgreen & Dragset spielte mit seiner Inszenierung eines bankrotten Sammlerhaushalts humorvoll auf die aktuelle Finanzkrise an und erhielt prompt von der Jury eine lobende Erwähnung.

Die Auszeichnung für Tobias Rehberger könnte da ein Wink mit dem Zaunpfahl sein, dass sich die Kunst nützlich machen möge. Die schon vorab gefällte Entscheidung, Yoko Ono für ihr Lebenswerk einen Goldenen Löwen zu verleihen, spricht dafür. Die John-Lennon-Witwe und Protagonistin von Fluxus und Happening hat immer schon beide Sphären vermischt. Im Palazzo delle Esposizioni zeigt sie ihre „Instruction pieces“ aus den frühen Sechzigern, getippt auf einfaches Papier. Darin fordert sie den Betrachter hintersinnig auf, in die Sonne zu schauen, bis sie quadratisch wird, oder zu fliegen. Bei Rehberger braucht er nur Cappuccino zu trinken und Tramezzini zu essen.

www.labiennale.org

Zur Startseite