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Kultur: Autoren aus Ex-Jugoslawien gründen in Frankfurt die "Gruppe 99"

Ein derartiges Treffen habe es, sagt der Slowene Drago Jancar, noch nie gegeben: Schriftsteller aus allen Teilen des ehemaligen Jugoslawien einträchtig und guten Willens gemeinsam auf einem Podium. "Nehmen Sie das bitte wahr", bekräftigt seine kroatische Kollegin Slavenka Drakulic, "wir sind hier zusammen!

Von Caroline Fetscher

Ein derartiges Treffen habe es, sagt der Slowene Drago Jancar, noch nie gegeben: Schriftsteller aus allen Teilen des ehemaligen Jugoslawien einträchtig und guten Willens gemeinsam auf einem Podium. "Nehmen Sie das bitte wahr", bekräftigt seine kroatische Kollegin Slavenka Drakulic, "wir sind hier zusammen!"

Die 15 Autorinnen und Autoren, die auf Anregung von Freimut Duve und auf Einladung der Frankfurter Buchmesse eine Klausurtagung hinter sich haben - drei Tage im Schloss Kranichstein -, präsentieren sich hier erstmals der Öffentlichkeit. So dicht wie bescheiden liest sich die Gründungserklärung der "Gruppe 99", der der kosovo-albanische Publizist Shkelzen Maliqi ebenso angehört wie die Belgrader Autoren Bogdan Bogdanovic, Drinka Gojkovi¿c und Dragan Veliki¿c. "Wir verurteilen aufs Schärfste den kulturellen und politischen Chauvinismus, durch welchen politische Grenzen in Grenzen zwischen Kulturen verwandelt wurden", heißt es in dem Papier, das die Intellektuellen auf der Buchmesse verteilen ließen, "wir sind davon überzeugt, dass Ideen, Bücher und sämtliche kulturellen Werte frei zirkulieren müssen. Es ist höchste Zeit, dass wir die heutige Situation überwinden und europäische Standards der Demokratie und Kultur ins Recht setzen."

In kreativer Konfrontation wollen diese Schriftsteller versuchen, "einen lebendigen und freien Kulturraum" zu schaffen. Die Gruppe ist offen für alle und wird immer wieder tagen, zunächst in Montenegro, auf Einladung des montenegrinischen Pfarrers und Intellektuellen Don Branko Sbutega - vorausgesetzt, sie findet Sponsoren für ihren Auftrag, erklärt Drago Jancar. Er spricht von der humanistischen Motivation, die ihn antreibt, dem Mitempfinden für die Leiden der Bürger von Sarajevo ebenso wie von Pristina. Deutlich wird: Diese Intellektuellen, die nicht wie viele andere zum Propagandamundstück ihrer Regime geworden sind, kämpfen gegen das Vorurteil, auf dem Balkan gebe es nur Konflikt und Krieg. "Wir können auch denken", erklärt der Kosovare Ali Podrinja ohne jede Ironie. "Wir wollen nicht die Außenseiter Europas sein." So möchten sie das verwirklichen, was Bogdan Bogdanovic die "edle Utopie einer Werkstatt der Ideen" nennt. Sie wollen Buchprojekte diskutieren und irgendwann auch den verzerrten Vorstellungen von Geschichte entgegentreten, die ihre Länder beherrscht. "Geschichte", erklärt Slavenka Drakulic mit Emphase, "ist bei uns eine große Waschmaschine. Man schüttet Ideologiepulver hinein, und heraus kommt eine gesäuberte Historie."

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