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Kultur: Autsch!

Tanz im August – eine Festivalbilanz

Eine Meditation über die Langsamkeit: Wer beim Berliner Festival Tanz im August den samoischen Tänzern aus der MAU-Company von Lemi Ponifasio zuschaute, bekam eine Vorstellung davon, dass man sich auch ganz anders bewegen kann. Der Tanz entspringt hier einem uns fremden Seinsverständnis, und doch werden in „Tempest: Without a Body“ beileibe keine Exoten ausgestellt. Rabenschwarz in seiner Zivilisationskritik, entwickelt das Bühnenzeremoniell einen starken Sog. Schade, dass die flammende Rede des Maori-Aktivisten Tame Iti nicht übertitelt wurde.

Der begehrliche Blick der Festivalmacher schweift in unentdeckte Regionen. Mit Ponifasio haben die Veranstalter des HAU und der Tanz-Werkstatt Berlin einen Glücksgriff getan. Warum aber wurden auch die Balztänze von Jecko Siompo, einem Choreografen aus West-Papua, eingeladen? Auf der Höhe des Diskurses waren nur wenige Performances, auch wenn das Festival mit gewichtigen Themen wie den Menschenrechten eine Debatte anzustoßen versuchte. Auch Entdeckungen konnte man machen, obwohl bekannte Namen die 22. Ausgabe des Tanzfestes dominierten. Als größte Exoten erschienen die drei von Andros Zinse-Browne in „The Host“ auf die Bühne geschickten Cowboys, die allerdings keine wilden Pferde zuritten. Die unkontrollierbare Natur wird durch ein sich aufblähendes Luftkissen symbolisiert. Im weichen Grund versinken die Stiefel, die Cowboys purzeln übereinander wie Playmobilfiguren. Diese Dekonstruktion eines Männlichkeitsbildes sorgte für einen der lustigsten Abende beim Tanz im August.

Richtige Jungs tun sich auch weh: Das demonstrierten Pieter Ampe und Guilherme Garrido. In „Still Standing You“ tragen die beiden ihren Machtkampf am Ende nackt aus, mit rüdem Zugriff, wie Gladiatoren in der Arena – ein steinzeitliches Selbstverständnis. In Jérôme Bels „Cédric Andrieux“ wiederum tritt die reale Person hinter dem Bild des Tänzers hervor. Der blonde Franzose erzählt von Desillusionierung und Überforderung während seiner Zusammenarbeit mit Merce Cunningham. Am Ende dämmert Bel, worum es dem Meister ging: um Bewegung ohne Bewertung, angewandte Zen-Philosophie.

Mit Xavier Le Roy klingt das Festival am heutigen Freitag aus. In „Product of other Circumstances“ versucht er eine erneute Annäherung an eine uns gar nicht mehr so fremde Tanzkultur, den japanischen Butoh-Tanz. Sandra Luzina

Sandra Luzin

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