zum Hauptinhalt

Kultur: Ay, ay, ay!

Auf diesen Moment hatten wir insgeheim gehofft: Wir befinden uns im Eröffnungskonzert des neuen Zeitfenster-Festivals für Alte Musik, gespielt wird geistlicher Musik aus Spaniens 16. Jahrhundert.

Auf diesen Moment hatten wir insgeheim gehofft: Wir befinden uns im Eröffnungskonzert des neuen Zeitfenster-Festivals für Alte Musik, gespielt wird geistlicher Musik aus Spaniens 16. Jahrhundert. "Wir schieben noch ein instrumentales Stück ein", hat Jordi Savall angekündigt. Welches, das geht im Hall des Konzerthauses unter. Doch das ist vielleicht auch nicht so wichtig. Da sitzt er nun, dieser bescheidene Mann mit Bart und rotem Schal, beugt sich über die Diskantgambe auf seinen Knien und beginnt, ihr einen feinen Triller zu entlocken: kein Hochglanzsound, keine Virtuosenpose - und doch fesselt sein Ton sofort die Aufmerksamkeit des großen Saales.

Gespannt aufgerissen sind die Augen Xavier Dìaz, dem Gitarren- und Vihuelaspieler von Savalls Ensemble Hespèrion XXI; plötzlich geht sein Schlag vom Volltakt in den Offbeat über. Ein Lachen lässt sein Gesicht strahlen, als Savall die Neckerei mit kleinen rhythmischen Vexierspielen beantwortet. Auch die begleitenden Gambenspieler scheinen nicht mehr auf ihre Noten zu schauen: Plötzlich ein paar kräftige Gitarrenschläge, ein gemeinsames Atmen geht durch das Ensemble, worauf sich die Spannung mit dem Einsatz von Zink, Pommer und Posaune löst. Dafür gibt es Zwischenapplaus! Dabei ist der Musik-Block noch gar nicht zuende, dabei folgt der Hit des Abend noch!

Bei der Guaracha von Juan García Zéspedes gehen auch die noblen Sänger der Capella Reial de Catalunya aus sich heraus, denn diese geistliche Musik mit ihrem wiederkehrenden "Ay"-Rufen und den Vorsänger-Effekten steht der Lebendigkeit eines Gospel-Gottesdienstes in nichts nach - und zudem bekommt das Publikum auch noch das feinste Pianissimo und die delikatesten Perkussionseffekte zu hören.

Alte Musik ist eben anders. Glücklicher als die bunte abgedimmte Beleuchtung des Konzerthauses, die sich nicht zwischen Bonbon und Kerze entscheiden mag, wurde uns diese Botschaft von Savalls Ensemble übermittelt: in einem Konzert, wo sich neben ein wenig nostalgischer Träumerei provozierend Fremdes in frappierend Gegenwärtiges auflöste.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false