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Kultur: Bacchus auf Wolken

Die Tefaf in Maastricht ist und bleibt die Kunst- und Antiquitätenmesse der Superlative

Schon vor der Vernissage waren einige Spitzenwerke verkauft, zudem entspannten zahlreiche Reservierungen die Mienen der Händler bei der Eröffnung der Tefaf (The European Fine Art Fair) in Maastricht am vergangenen Donnerstag. Wieder einmal präsentieren 203 weltweit führende Kunst- und Antiquitätenhändler aus 14 Ländern ihre prachtvollen Salons, Interieurs, Antiquitäten, Alten Meister und modernen Klassiker in Hochform. Und freudig erregt drängten sich Sammler, Museumsdirektoren und Auktionatoren so dicht in den Gängen wie seit Jahren nicht mehr.

Zusammen mit dem Schmuck aus weißen, von der Decke hängenden Amaryllis im Entrée und einer orangefarbenen Tulpenpyramide im Zentrum verbreiteten die Flaneure die Stimmung einer Opernpremiere, bei der das Publikum seine Lieblingsstars und Arien hofiert. Denn nach wie vor steht die Tefaf an der Spitze händlerischer Großleistungen im Bereich des internationalen Kunstmarkts. Jubelattribute der Presse wie „Mekka der Kunst“, „Wunderkammer“, oder „Insel der Seligen“ sind insofern angemessen, als sich in dem niederländischen Städtchen tatsächlich die Elite des Markts versammelt und einen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftspolitisch bedeutendenden Beitrag zur internationalen Kulturpflege leistet. Vorurteile gegenüber den Akteuren des Kunstmarkts will denn auch die zweite Publikation der Tefaf, „Art Market Matters“, abbauen. Vor allem der Aufsatz von John Henry Merryman ist lesenswert, der sich mit der „Aversion“ der Unesco gegenüber dem Kunstmarkt beschäftigt.

Dicke Fische

Helle Begeisterung in Worten und klingender Münze brachten die Besucher dann auch den ausgebreiteten Schätzen entgegen. So verkaufte Michael Werner, Köln und New York, ein großformatiges Bild von Markus Lüpertz aus den Achtzigerjahren (85000 Euro) schon vor der Eröffnung. Auch die Galerie Frank C. Möller Fine Arts aus Hamburg fand sofort einen Kunden, einen deutschen Privatsammler, für einen spektakulären Kronleuchter von Karl Friedrich Schinkel. Die so genannte „Adlerkrone“ aus dem Jahr 1826 ist ein 18-flammiger Lüster aus feuervergoldeter Bronze, den Möller stolz als „ganz dicken Fisch“ beschreibt. Buchstäblich „aus dem Nichts“ sei die von der Firma Werner & Neffen produzierte Preziose – 40 Kilogramm schwer und mit 27 sechzigfach geschliffenen Kristallen verziert – im Handel aufgetaucht. Eine Sensation ist sie auch deshalb, weil zwei Pendants, die sich im Besitz von Friedrich Wilhelm IV. und seinem Bruder befanden, im Krieg zerstört wurden.

Ebenfalls an einen deutschen Liebhaber ging das hinreißende Werk „La sultane lisant“ des Schweizer Malers Jean-Etienne Liotard. Konrad Bernheimer, Besitzer von Bernheimer-Colnaghi (München/London), hatte das Mitte des 17. Jahrhunderts entstandene anmutige Porträt eines jungen Mädchens bereits zur „Palm Beach Classic“ in West Palm Beach mitgebracht, an der er Ende Januar erstmals teilnahm. Die Kunst- und Antiquitätenmesse im tropischen Florida strukturiert der Schweizer Messestratege Lorenzo A. Rudolf gerade „nach dem Vorbild Maastricht“ um, mit international führenden Händlern und in mediterranem Design. Als „positiv“ bezeichnen Bernheimer wie auch sein junger Kollege Gordian Weber aus Köln, ebenfalls langjähriger Tefaf-Teilnehmer, ihren Palm Beach Classic-Messestart. Wenn es Rudolf gelingt, neben dort bereits etablierten europäischen Galeristen wie den Tefaf-Matadoren Noortman aus Maastricht und Bernard Baruch Steinitz aus Paris weitere Tophändler zu gewinnen, kann er den Europäern ein neues lukratives Terrain in den USA erobern. Schon wechselte Chubb, bisheriger Hauptsponsor der Tefaf und Versicherer für Kunst und wertvolle Objekte in Privatbesitz, nach Palm Beach.

Neuer Hauptsponsor der Maastrichter Messe ist Axa Art, der einzige, ausschließlich auf Kunst spezialisierte Versicherer. Als Morgengabe der Partnerschaft ließ das Unternehmen die Hände aller Messeteilnehmer fotografieren und schrieb unter dem Motto „In safe hands“ einen Wettbewerb an seinem Stand aus: Wer die Händler identifiziert, kann zum Ende der Messe ein Wochenende in Venedig gewinnen.

Der goldene Stern

Obwohl nur Zufall, könnte man die launige Idee des Sponsors als Symptom deuten für eine gewisse Exzentrik in der Wahl der Raritäten, die diese Messe stärker als in den Jahren zuvor prägen. So überbieten sich einige Händler geradezu mit Werken von Pablo Picasso, inspiriert vielleicht durch Landau Fine Art aus Montreal, der allein zehn Werke des spanischen Genies präsentiert, darunter das auf rund zwei Millionen Euro taxierte Gemälde „Le Fumeur“ aus dem Jahr 1969. Sehr viel weniger, 68000 Euro, kostet dagegen bei Pelham Galleries London, ein bizarrer, holzgefertigter Flipper-Tisch aus dem 18. Jahrhundert. Ein anderes außergewöhnliches Möbelstück, den mit Trompe- l’oeil-Architekturzeichnungen laminierten Büroschrank „Trumeau“ von Piero Fornasetti (112500 Euro), offeriert Neuaussteller Trevor Philip & Sons, London. Nicht genug der kleinen Exzesse: Bei Mallett & Sons, ebenfalls in der britischen Metropole ansässig, kann man eine gelbseidene indische howdah aus dem Jahr 1835 für 442500 Euro erwerben: einen Luxussitz für den Elefantenritt.

Highlight in dieser Riege leicht dekadenter Prunkstücke ist zweifelsfrei das ausladende Sideboard bei Daxer & Marschall, München, das 1974 für das Esszimmer des Industriellen Max Kustermann entworfen und mit einem Gemälde von Arnold Böcklin kombiniert wurde. Es zeigt Ceres und Bacchus auf Wolken gelagert, umspielt von niedlich-gierigen Putten (280000 Euro).

Den eklektizistischen Objekten stehen in reicher Anzahl klassische Höhepunkte gegenüber: Das Madonnenbild von Sandro Botticelli (und Schule) beim Londoner Händler Dickinson zählt ebenso zu ihnen wie das auf 2,2 Millionen Dollar taxierte Gemälde „Die Anbetung der Weisen“ von Peter Paul Rubens bei der Züricher David Koetser Gallery. Im Bereich der Moderne ragen eine 1876 entstandene Landschaft von Claude Monet bei Salis & Vertes, Salzburg heraus (zwei Millionen Euro), das 1929/39 entstandene Gemälde „Lunis“ von Francis Picabia bei Keitelman, Brüssel, oder Schiele-Zeichnungen bei Richard Nagy, London (bis 1,4 Millionen Euro). Das teuerste Objekt der Messe allerdings könnte dieses Mal „The Golden Star“ sein, ein atemberaubend gelb funkelnder Diamant von 101,28 Karat beim Megajuwelier Graff, London. Doch sein Preis ist streng geheim.

Tefaf, MECC, bis 14. März; täglich 11–19 Uhr (14. März bis 18 Uhr). Weitere Informationen im Internet unter www.tefaf.com.

Eva Karcher

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