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Der ominöse Father Flynn (Jeff Bridges) und die Soulsängerin Darlene Sweet (Cynthia Erivo) gehen eine unheilige Allianz ein.

© 20th Century Fox

"Bad Times at the El Royale" im Kino: Als Amerika seine Unschuld verlor

"Bad Times at the El Royale" von Drew Goddard ist ein anspielungsreicher Retro-Thriller mit falschen Spiegeln und doppeltem Boden.

Ein ausgefallener Schauplatz, an dem eine Gruppe undurchsichtiger Einzelgänger aufeinander trifft, ein paar überraschende Twists und schließlich ein großer Showdown. Regisseur Drew Goddard bedient sich in seinem Retro-Thriller „Bad Times at the El Royale“ einer altbekannten Formel. Hier sind es ein Priester (Jeff Bridges), ein Staubsaugervertreter (Jon Hamm), eine Sängerin (Cynthia Erivo) und ein übellauniges Hippiemädchen (Dakota Johnson), die zeitgleich beim Concierge (Lewis Pullman) eines Motels einchecken, das seine glorreichen Tage lange hinter sich hat. Es ist das Jahr 1969, eine Zeit des Umbruchs und Übergangs, in der der poppige Girl-Group-Sound von psychedelischem Rock und rauem Soul abgelöst wird und die Flower-Power-Bewegung endgültig ihre Unschuld verliert.

Das ist liebevoll konstruiert, findet sich das Motiv des Übergangs doch sowohl im Motel „El Royale“ selbst wieder, durch das die Grenze zwischen Kalifornien und Nevada verläuft, als auch in den Protagonisten, die sich alle an einer Schwelle in ihrem Leben befinden: Sie versuchen ihrer Vergangenheit zu entkommen. Die zeitgeschichtlichen Bezüge – die Manson-Morde, der Vietnam-Krieg, die Abhörpraktiken des FBI – fallen indes merkwürdig klischeehaft aus. Wozu beschwört der Film so spezifisch diese Epoche herauf, wenn ihm dazu nichts als Allgemeinplätze einfallen? Am ehesten trägt noch die Figur der Sängerin Darlene Sweet so etwas wie aktuelle Relevanz bei, deren Emanzipationsgeschichte man als Beitrag zur MeToo-Debatte verstehen könnte. Allerdings unterläuft der Film diesen Anspruch selbst, indem er ihr mit dem verblendeten Blumenmädchen Ruth (Cailee Spaeny) eine misogyne Macho-Fantasie gegenüberstellt.

Genre-Plot als Laborsituation

Doch es geht in „Bad Times at the El Royale“ eben nicht um Relevanz, sondern gerade um die Klischees, um das Spiel mit Konventionen, Erwartungen und Zitaten. So wird die unverkennbare Nähe zu den Filmen Quentin Tarantinos nicht diskret überspielt, sondern ausgestellt: von den überelaborierten Dialogen über die verschachtelte Kapitelstruktur bis zum pointierten Musikeinsatz. Mit Tarantinos extravaganten Etablissements wie dem Fifties-Diner mit Twist-Wettbewerb aus „Pulp Fiction“ oder dem Westernsaloon in "Hateful Eight" kann es das „El Royale“, wo der Preis einer Tasse Kaffee davon abhängt, in welchem Bundesstaat man sich befindet, spielend aufnehmen.

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Nicht minder spielerisch zitiert sich Goddard selbst, wenn er enthüllt, dass die Hotelzimmer mit Mikrofonen verwanzt und von einem Geheimgang aus durch Einwegspiegel einsehbar sind. Es ist ein Verweis auf sein Regiedebüt, den Meta-Horrorfilm „The Cabin in the Woods“ von 2012, in dem sich der Genre-Plot als eine kontrollierte Labor-Situation entpuppt. Wie Goddard hier seinen Fans wissend zuzwinkert, hat auch eine gewisse selbstverliebte Penetranz. Gleichzeitig gelingen ihm an den Einwegspiegeln die stimmungsvollsten Szenen, untermalt vom ergreifenden Gesang Cynthia Erivos, der Entdeckung des Films.

Bei einer Laufzeit von über 140 Minuten dürfte es von diesen atmosphärischen Höhepunkten gerne ein paar mehr geben. Regisseur und Darsteller haben sichtlich Spaß an der Arbeit, aufs Publikum überträgt er sich nicht durchgehend. Weniger Spiel- und Stilwille zugunsten von etwas mehr Substanz wäre wünschenswert gewesen.

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