zum Hauptinhalt

Kultur: Baden Powell: Die Tränen des Amazonas

Im vergangenen Herbst trat er in Deutschland zum letzten Mal auf. Baden Powell erschien auf der Worldwide Music Expo in Berlin, die sich aus Anlass des 500.

Im vergangenen Herbst trat er in Deutschland zum letzten Mal auf. Baden Powell erschien auf der Worldwide Music Expo in Berlin, die sich aus Anlass des 500. Jubiläums seiner Entdeckung mit Brasilien beschäftigte. Obwohl Powell das Publikum durch sein vertracktes, stark synkopiertes Gitarrenspiel in Trance versetzte, standen doch andere im Vordergrund - die neuen Helden Brasiliens: Cascabulho, die einen fetzigen, ebenso urbanen wie schlammspritzenden Post-Punk-Rock lieferten. Baden Powell de Aquino, dem sein Vater den Namen des Gründers der Scout-Bewegung gegeben hatte, war Protagonist einer verblichenen Epoche: dem Bossa Nova.

Bereits als kleiner Junge spielte Baden Powell, der 1937 im Bundesstaat Rio de Janeiro geboren wurde, auf der Gitarre und gab mit dreizehn seine ersten professionellen Konzerte. Er vermischte darin brasilianische Volksmusik mit den Einflüssen spanischer Klassiker wie Francisco Tárrega und Andrés Segovia. Mitte der 50er Jahre kam er nach Rio und begann, sich für die Möglichkeiten der Jazz-Improvisation zu interessieren. Seinen ersten Hit landete Powell 1956 mit dem Titel "Samba triste". 1960 tat er sich mit dem Komponisten Vinícius de Moraes zusammen und schloss sich der prosperierenden Bossa-Nova-Szene an. Anders als Gilberto Gil, der in seiner Heimat mitunter als Vertreter des Cool Jazz kritisiert wurde, schlug Baden Powell auf der Gitarre eine mächtige Brücke nach Bahia, der afrobrasilianischen Metropole im Nordosten - und damit auch nach Afrika. Niemand konnte seine Lieder besser in Gitarrenperkussion eskalieren lassen als er selbst. Zusammen mit Moraes komponierte er über 50 "Afro-Samba"-Stücke, davon gelten viele Themen mittlerweile als Standards. Wie zahlreiche Bossa-Musiker nahm auch Powell in den Sechzigern Platten mit US-Jazzern wie Stan Getz, Herbie Mann und Kenny Dorham auf. Dann zog es ihn nach Europa. 1966 firmierte sein Lied "Samba da benço" als Soundtrack zu Claude Lelouchs Film "Ein Mann und eine Frau". "Um wirklich einen wunderschönen Samba zu schreiben", heißt es darin, "braucht man ein wenig Traurigkeit."

Baden Powell kehrte erst 1987 wieder nach Brasilien zurück. Zuletzt schien sich sein Gitarrenspiel in frenetisch-introvertierte Altersweisheit verwandelt zu haben. An die 60 Alben hat er aufgenommen, über 100 Lieder komponiert. Am Dienstag erlag der Musiker im Alter von 63 Jahren in Rio de Janeiro den Folgen einer Lungenentzündung.

Roman Rhode

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false