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Ballett-Premiere: "SH-Boom!" - Unterhosen und Verwandlungen

Launig-verrücktes Tanzstück: Weiße Feinripp-Unterwäsche hat auf der Ballettbühne des Mainzer Staatstheaters im Stück "SH-Boom!" ein umjubeltes Comeback gefeiert.

Die eher als spießig verschrienen Schlüpfer werden von vier Tänzern im Stück "SH-Boom!" getragen - sogar kombiniert mit weißen Herren-Kniestrümpfen oder Jackett. Die 1994 uraufgeführte Choreographie von Paul Lightfoot und Sol León ist allerdings alles andere als bieder, sondern ein launig-verrückter Tanzspaß. Die Zuschauer honorierten dies zum Abschluss der durch und durch gelungenen Premiere des dreiteiligen "Programms XXVII." am Freitagabend mit minutenlangem Applaus im Stehen.

Den Auftakt des Abends bestritt Hauschoreograph Nick Hobbs mit der Uraufführung seiner "Metamorphoses nocturnes" - geheimnisvolle Verwandlungen im Schummerlicht. Insgesamt 16 Tänzer und Tänzerinnen stehen zum Streichquartett Nr. 1 des ungarischen Komponisten György Ligeti (1923-2006) auf der Bühne. Mal als Pas de deux, mal als größere Gruppe bilden sie ständig neue Bilder und lösen sie wieder auf. Mit hautengen Anzügen in Tarnfarben sind die Figuren mal ineinander verschlungen, mal wird im Gleichschritt marschiert - scheinbar getrieben von Anziehungs- und Abstoßungskräften zwischen Hingabe und Fremdheit.

Ernst und Absurdität des Lebens

Auch im zweiten Stück des Abends, "Kammerballett" von Hans van Manen, geht es um Wechselbäder der Gefühle. Getanzt wird auf einem weißen Oval, am Rande stehen mehrere schlichte Hocker. In teils farbenfrohen, teils dunklen Kostümen versuchen die acht Tänzer immer wieder, untereinander Kontakt aufzunehmen. Zum Teil gelingt dies - etwa wenn sich in gefühlvollen Paartänzen die Tänzerin ohne Angst rückwärts in die Arme des Partners fallen lassen kann. Manches Mal scheitert die Kommunikation aber auch - wenn eine einzelne Figur von der Gruppe zurückgestoßen wird. "Kammerballett" wurde 1995 uraufgeführt. Van Manen wählte dazu Klaviermusik unter anderem von Kara Karajew (1918-1982) und John Cage (1912-1992).

Mit "SH-Boom!" schließlich zog das Choreographen-Paar Lightfoot/León das Premierenpublikum endgültig in den Bann. Neben den vier Tänzern in Unterhosen - selbst diese wird für eine Episode ausgezogen - stehen auch vier Tänzerinnen auf der Bühne. Sie tragen züchtige, hochgeschlossene schwarze Kleider, deren Röcke jedoch ab und an keck gelüftet werden. Unter dem Motto "Life could be a dream" (Das Leben könnte ein Traum sein) geht es mit Musik aus den 20er bis 50er Jahren sowohl um die Absurditäten des Lebens - als auch um dessen Ernst.

Lebensbejahende Musik

"Die von uns verwendete Musik ... entstand also zu einer Zeit, als die Menschheit durch zahlreiche Kriege bedroht war, und drückt mit ihrem lebensbejahenden Charakter doch auch die Befindlichkeiten der damaligen Jahrzehnte aus", sagt Lightfoot über sein Stück. "Indem wir die Figuren fast karikaturistisch überzeichnet ihren Humor benutzen lassen, gelingt es ihnen, aus ihrem eigenen Leben auszubrechen", sagt León. Zwar ist "SH-Boom!" inzwischen 14 Jahre alt - jedoch hat sich das Stück immer wieder gewandelt. Zur Uraufführung vierteilig erweiterte es das Choreographen-Duo mehrmals - derzeit hat es acht Episoden.

Andrea Löbbecke[dpa]

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