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© dpa-Zentralbild

Barbara Kisseler: Im Bund mit Steinmeier

Barbara Kisseler, die seit drei Jahren die Berliner Senatskanzlei leitet, streckt ihre Fühler in Richtung Bundespolitik aus – nicht nur, indem sie Lektüre-Empfehlungen gibt.

Von Zeit zu Zeit leiht Barbara Kisseler Peer Steinbrück Krimis aus. Zuletzt bekam der SPD-Finanzminister Volker Kutschers „Der nasse Fisch“ von ihr, ein Buch, das in den wilden zwanziger Jahren in Berlin spielt.

Kisseler, die seit drei Jahren die Berliner Senatskanzlei leitet, streckt ihre Fühler in Richtung Bundespolitik aus – nicht nur, indem sie Lektüre-Empfehlungen gibt. Frank-Walter Steinmeier hat die 60-jährige Germanistin und Theaterwissenschaftlerin in sein Wahlkampfteam berufen, als Fachfrau für Kultur. Die Chancen, dass sie nach dem 27. September tatsächlich Bernd Neumann ablösen wird, sind allerdings denkbar gering. Denn für die Besetzung des direkt im Kanzleramt angesiedelten Kulturstaatsministeriums ist selbstverständlich jene Partei zuständig, die auch den Bundeskanzler stellt.

Aber vielleicht denkt Barbara Kisseler ja auch langfristiger: Es gibt viele, die ihren derzeitigen Chef, Klaus Wowereit, schon als nationalen SPD-Spitzenkandidaten für die Wahl 2013 sehen. In der Kulturverwaltung hat sich Kisseler seit 1978 konsequent hochgearbeitet. Sie arbeitete im Kulturamt Bonn, war dann Dezernentin in Hilden und Düsseldorf, wechselte 1993 ins niedersächsische Kulturministerium, bevor sie schließlich 2003 in die Hauptstadt gerufen wurde. Zunächst arbeitete sie als Staatssekretärin in der Kulturverwaltung, bis Wowereit sich 2006 dann für eine Rochade entschied, seinen Senatskanzleichef André Schmitz auf den Kulturposten versetzte und Kisseler ins Rote Rathaus holte. Seitdem gilt sie als heimliche Kultursenatorin, die vor allem bei Personalentscheidungen mitredet.

Mehr reden als Neumann will Barbara Kisseler auch als Kulturstaatsministerin – vor allem mit Künstlern. Kungelrunden, bei denen um Etats geschachert wird, sind ihre Sache nicht, sagte sie gestern bei einem Gespräch in Berlin. „Die Hinterzimmer der Macht waren bisher nicht mein bevorzugter Aufenthaltsort.“

Pflichtbewusst und ausdauernd, wie sie ist, würde sie im Falle eines Wahlsiegs aber die Bürde auf sich nehmen, jenen 80 Prozent der Politiker, die sich nach ihrer Beobachtung nicht mit Kultur beschäftigen, den Sinn der schönen Künste für die Gesellschaft nahezubringen. O-Ton Kisseler: „Ich kann viel Ignoranz ertragen.“ Ihr größter Wunsch wäre es, dass der rituelle Griff der Kämmerer nach dem Kulturhaushalt in Krisenzeiten endlich aufhört: „Nichts ist einfallsloser, als bei der Kultur zu kürzen.“ Kisseler ist davon überzeugt, dass ohne Investitionen in den Kulturbereich Folgekosten im Sozialsystem entstehen. Darum muss der Zugang zu Theatern, Museen und Bibliotheken auch für alle Bevölkerungsgruppen barrierefrei blieben, also gestützt durch staatliche Subvention. „Kulturpolitik“, fordert Kisseler, „muss aus der defensiven Ecke herauskommen.“ Bei der Chuzpe der Banker, die mal eben ein paar Milliarden vom Staat einfordern, nachdem sie sich verzockt haben, könne man da einiges lernen. Dass 500 000 der vier Millionen Arbeitsplätze, die Steinmeier schaffen will, in der „Kreativindustrie“ entstehen könnten, hält Kisseler für „realistisch“. In Berlin habe man gesehen, was in diesem Bereich alles möglich ist.

Kleinen Kinos, findet sie, müsse der Staat bei der Digitalisierung helfen, in Sachen auswärtige Kulturpolitik sollen sich Außen- und Kulturstaatsministerium besser vernetzten. Die Provenienzforschung schließlich will Kisseler „anders aufstellen“. Dass es ihr als Kulturstaatssekretärin nicht gelungen ist, Kirchners „Straßenszene“ für Berlin zu retten, zählt zu den wenigen Niederlagen ihrer Karriere.

Einen weiteren Lesetipp für schlaflose Nächte hat Kisseler für Peer Steinbrück schon parat: Uwe Klausners Gestapo-Krimi „Walhalla Code“. F. H.

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