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Kultur: Barbusige Blitzmädel

rettet die verlorene Ehre der Girl-Groups In der gegenwärtigen Krise des Musikgeschäfts haben Girl Groups einen Vorteil gegenüber ihren männlichen Künstlerkollegen: Sie sind von sinkenden Verkaufszahlen nicht betroffen. Denn, zynisch und verallgemeinernd gesprochen: Musik von Girl Groups kauft sowieso keiner.

rettet die verlorene Ehre der Girl-Groups In der gegenwärtigen Krise des Musikgeschäfts haben Girl Groups einen Vorteil gegenüber ihren männlichen Künstlerkollegen: Sie sind von sinkenden Verkaufszahlen nicht betroffen. Denn, zynisch und verallgemeinernd gesprochen: Musik von Girl Groups kauft sowieso keiner. Und wenn eine Girl Group ausnahmsweise mal gut verkauft, wurde sie bestimmt im Fernsehen gecastet, wie die No Angels. Kein Wunder. Wer denkt bei „Girl Groups“ schon an Musik!

Statt für die Vielfalt der Akkord-Wechsel interessiert sich die Öffentlichkeit eher für die Anzahl ihrer Haarspangen, Badezimmer und Liebhaber. Und warum auch nicht. In der Bezeichnung „Girl Group“ ist ja auch nicht von Musik die Rede. In den Swinging Sixties, als der Begriff geprägt wurde, verkauften Frauengruppen wie die Shangri Las, die Supremes oder die Chrystals noch Platten wie geschnitten Brot mit Kaugummi. Denn die Forderung, Frauen sollten Instrumente spielen, stand noch nicht im Raum. Die meisten Mädchengruppen waren damals noch reine Vokalensembles, im Hintergrund griffen Männer in die Saiten.

Mit der Naivität ist es heutzutage freilich vorbei. Girl Groups sind wieder im musikalischen Underground aktiv und positionieren sich von Beginn an lieber an der Schnittstelle von Mode, Kunst und Liveact. Nun nehmen einige dieser barbusigen Alien-Divas im Leopardenkostüm Kurs auf Berlin. Team Plastique zum Beispiel. Die Live-Performance der australischen Trash-Königinnen gleicht einem esoterischen Kostümball. Aber „oben ohne“ ist nicht gleich „oben ohne“.

Die riskanten Outfits sind das Gegenteil von Mainstream-Gefälligkeit. Diese neue Avantgarde der Girl Groups – für die auch die erfolgreichen Chicks on Speed und Peaches Pate standen – orientiert sich weniger an Weiblichkeitsklischees, sondern plündert stattdessen die Arsenale der Popgeschichte – und manchmal müssen da die Hüllen fallen. Team Plastique sind unübersehbar vom futuristischen Style der Glam-Rock-Ära inspiriert.

Denn auch wenn diese Bands sich als Gesamtkunstwerke verkaufen, so bildet ihre meist elektronische Musik den Spielplatz für andere Aktivitäten. Die Computer programmieren die Damen meist selber. Dafür darf das Ergebnis ruhig punkig sein. Bei Team Plastique ist es eine Mischung aus Hip Hop, Electro und Jungle Beats. Musik ist für die Avantgarde-Girl Groups in etwa das, was für die gecasteten Gruppen von heute die Tanzschritte und für die Sechzigerjahre-Girl-Groups der Gesang war. Wenn der Mudd Club (Große Hamburger Str. 17, Mitte) heute um 20 Uhr zum Festival Girl Groups United einlädt, werden sechs verschiedene Bands so ziemlich alle Modelle von Frauen-Pop zu Gehör bringen: Von Edith Piaf goes Spoken Word (kurz: PMS Syndrome) bis zum lärmigen Noise Rock (Isabella Deluxe). Man kann also kaum noch von einem Konzert sprechen. Eher von einem Gipfeltreffen.

Kesrtin Grether

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