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Elegante Ellipsen. Zwei übereinander liegende, leicht verschobene Ovale hat Architekt Frank Gehry für den Konzertsaal in der Akademie entworfen.

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Barenboim-Said-Akademie: Am Pult mit dem Feind...

... und ein Kammermusiksaal für Berlin: Das Richtfest bei der Barenboim-Said-Akademie mit Monika Grütters, Tim Renner und dem Maestro. Und mit einer Videobotschaft des Architekten Frank Gehry.

Schöne Geschichte, die von Frank Gehry und Daniel Barenboim in Mailand. Der amerikanische Architekt erzählt sie in seiner Videobotschaft an die Gäste des Richtfests. Wie Barenboim mit schmerzendem Rücken in der Scala auf dem Sofa liegt, wie Gehry dem Maestro seine Sitzplanordnung für den Konzertsaal in der Barenboim-Said-Akademie zeigt und wie dessen Gesicht plötzlich von noch mehr Schmerzen gezeichnet ist. „Was ist denn aus deiner wunderschönen Skizze geworden?“ Barenboim bettelt Gehry förmlich an. „Frank, ich will die Ovale, bitte, bitte, bitte“. Auf dem Video wird er kurz eingeblendet, Gehrys hingekritzelter Kringel, er erntet Gelächter. Aber so kann es gehen: Ein Künstler, sagt Gehry, versteht den anderen manchmal besser als dieser sich selbst. Er hat sie dann doch ausgearbeitet, seine erste Skizze für den Saal im ehemaligen Magazin der Staatsoper.

Zwei übereinander liegende, leicht gewellte, aus der Achse verschobene Ellipsen sind es geworden, der Saal und der Rang darüber. Selbst beim Richtfest am Montag, noch roh im Beton und mit provisorischem Holzgeländer versehen, ahnt man: Das wird eine feine, schwingende, schwebende, den Sinnen Flügel verleihende Frank-Gehry-Architektur. Schon schade, dass Gehry in Berlin immer nur Innenräume gestalten darf, in der DZ-Bank am Pariser Platz, hier in der Barenboim-Said-Akademie – und im März 2016 in der Staatsoper im Schillertheater, wenn er für Jürgen Flimms Inszenierung von „Orfeo ed Euridice“ das Bühnenbild entwirft.

Der Maestro und der Bauherr. Daniel Barenboim, Initiator und später der Lehrmeister in der Barenboim-Said-Akademie, und Akademie-Direktor Michael Naumann (r.).
Der Maestro und der Bauherr. Daniel Barenboim, Initiator und später der Lehrmeister in der Barenboim-Said-Akademie, und Akademie-Direktor Michael Naumann (r.).

© dpa

Richtfeste sind Wechsel auf die Zukunft. So viele Kulturbaustellen mitten in Berlin-Mitte, so viele Brückenbauer: Vor ein paar Tagen wurde beim Humboldt-Forum der Richtkranz auf die Kuppel gesetzt und alle freuten sich auf den Dialog der Weltkulturen. Jetzt, bei der Barenboim-Said-Akademie ein Stück weiter westlich geht es mit arabischem Buffet und Applaus für Maurer und Zimmerleute zwar zünftiger zu, aber die Hoffnung auf Weltdialog ist die gleiche. Ab Herbst 2016 werden hier Stipendiaten aus der Kriegsregion des Nahen Ostens ausgebildet, nicht nur an ihren Instrumenten, sondern auch in Geschichte, Literatur und Philosophie.

„Am Pult mit dem Feind“: Nach dem Richtspruch des Poliers Michael Fuhrmann („Ein Ort der Musik soll es werden/und der Völkerverständigung auf Erden“), nach Grußworten von Akademie-Direktor Michael Naumann, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner und Andreas Görgen vom Auswärtigen Amt erinnert Daniel Barenboim daran, wie sein Traum einer etwas anderen Musikakademie vom Geist des 1999 gegründeten West-Eastern Divan Orchestra beseelt wurde. Der Dirigent träumte ihn mit seinem palästinensischen Freund, dem Literaturwissenschaftler Edward Said, der 2003 gestorben ist. Saids Satz vom Humanismus als der „letzten Verteidigungslinie, die wir haben“ ziert denn auch als Motto die Akademie-Broschüre.

Auch Ausbildungsstätten sind Wechsel auf die Zukunft, Orte der Hoffnung. Dieser hier, gleich hinter der Lindenoper, wird vom Bund und von Spendern mit gut 33 Millionen Euro finanziert; Berlin steuerte das Grundstück bei, in Erbpacht für 1 Euro pro Jahr. Es gibt sie noch, die billigen Mieten in Mitte, scherzt Renner.

21 Probenräume, der Konzertsaal, ein Auditorium mit 100 Plätzen, Foyer und Café offen zur Französischen Straße hin, bis zu 100 Stipendiaten – bereits diesen Herbst startet ein Pilotprojekt mit einigen Studierenden. Der Bund wird sich an den laufenden Kosten beteiligen, das ist die gute Nachricht von Grütters. Die beste Nachricht ist aber doch die Sache mit dem Oval. Berlin verdankt Daniel Barenboim bald nicht nur eine Akademie, sondern auch einen Kammermusiksaal, er wird den Namen von Pierre Boulez tragen. 622 Plätze: Die Größe kann die Musikstadt sehr gut gebrauchen. Das luftige, von der noch halligen Akustik etwas zerfaserte MozartQuintett, das Barenboim mit WestEastern-Divan-Musikern als Richtfestmusik beisteuert – auch das ist ein Versprechen auf die Zukunft.

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