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Mama Serena und ihre Söhne in "Barfuß durchs Leben".

© Camino Filmverleih

"Barfuß durchs Leben" von Daniele Luchetti: Die eiernde Zeit

Daniele Luchettis „Barfuß durchs Leben“ spielt im von Terrorismus geprägten Italien der 70er. Die Geschichte des Ich-Erzählers Dario oszilliert zwischen Sarkasmus und Kindheitsnostalgie.

„Anni di piombo“, bleierne Jahre, nennen die Italiener (im Rückgriff auf Margarethe von Trottas Film „Die bleierne Zeit“) die vom Terrorismus geprägte Zeit nach dem Anschlag auf der Mailänder Piazza Fontana im Dezember 1969. Was also ist zu erwarten, wenn Daniele Luchetti seinen exakt in diesen Zeiten spielenden Film „Anni felici“, glückliche Jahre, nennt? Ein ironischer Kommentar zur Geschichte? Oder ist es naiver Realismus, weil „Barfuß durchs Leben“ (so der ähnlich rätselhafte deutsche Titel) seine Geschichte retrospektiv aus der Perspektive eines etwa elfjährigen Kindes mit seinem Blick auf die Welt erzählt?

Dario, Ich-Erzähler und Alter Ego des Filmemachers, ist der ältere zweier Söhne eines in schicker Dachwohnung Stadt residierenden, reichlich dysfunktionalen Künstlerpaars. Vater Guido (Kim Rossi Stuart als verzauseltes Pseudogenie) probt mit Happenings und Body Art den Aufstieg in den Olymp der Avantgarde – bleibt dabei jedoch bloß opportunistischer Epigone. Und ein Macho, der zwischen den Gipsabdrucken im Atelier die Aktmodelle für seine kitschigen Ganzkörperlampen vernascht.

Ein bisschen mehr Libertinage für Mama

Das kriegen auch die Söhne mit, obwohl Papa versucht, Familie und Arbeit peinlich genau zu trennen. Doch Gattin Serena (Micaela Ramazzotti mit im doppelten Sinn dicker Lippe), die ihre beiden Söhnchen mal drangsaliert und mal mit Zärtlichkeit überschüttet, taucht immer wieder regelwidrig bei Kunstevents auf und nervt mit ungeschickten Auftritten und zusehends mieser Laune. Die Rolle als brave Mamma und unterstützende Künstlergattin verlässt sie dabei nie – ein so altbekannter wie undankbarer Status.

Anstoß zur Veränderung gibt in diesem karikaturesk überdeutlich inszeniertem Film der – herrlich direkte – Verriss eines Kunstkritikers angesichts von Guidos neuestem Werk. Und Martina Gedeck als so frauenbewegte wie bodenständige Galeristin Helke, die Mutter und Söhne in ein feministisches Feriencamp nach Frankreich einlädt. Dort gibt es neben Strand, Sonne und Selbsterfahrung erwartungsgemäß auch amouröse Abenteuer für Mutter und Dario. Und auch für Mama ein bisschen mehr Libertinage. Aber soll’s das wirklich gewesen sein?

Schlichtes Skript mit Blick aufs Innerfamiliäre

„Es waren glückliche Jahre, aber das haben wir erst nachher gemerkt“, resümiert Dario – eine Einschätzung, die zwischen Sarkasmus und Kindheitsnostalgie oszilliert. Ähnlich unentschieden bleibt die Haltung des Films, der auf gesellschaftliche Außenwelt weitgehend verzichtet. Hatten Daniele Luchetti und sein Autorenteam um Sandro Petraglia und Stefano Rulli in „Mein Bruder ist ein Einzelkind“ (2007) noch unterschiedlichen politisch-biografischen Linien nachgespürt, so verengt sich nun der Blick im eher schlichten Script – samt markanter Großelternfiguren – ganz aufs Innerfamiliäre. Für eine solch intime Studie fehlt es aber an Präzision der Beobachtung und Figurenzeichnung. Zudem lassen die gestelzten Dialoge der Synchronfassung die Figuren noch gröber und unsympathischer erscheinen als wohl von den Filmemachern geplant.

In acht Berliner Kinos; OmU: Babylon Mitte, Kulturbrauerei; OmenglU: Il Kino

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