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Based in Berlin: Berlin sucht den Superkünstler

Erst Boykottaufrufe und böse Briefe, jetzt endlich die Ausstellung: Im Monbijoupark und an weiteren vier Stationen zeigen 80 Künstler ihre Werke.

Oh nein! Er hat es wieder gesagt. Gleich im ersten Satz seiner Eröffnungsrede spricht Klaus Wowereit von „Leistungsschau“, dabei sollte es doch nur noch Sommerausstellung oder anders harmlos heißen. Oder ganz einfach „Based in Berlin“, so lautet nun offiziell der Ausstellungstitel für die große Gruppenschau Berliner Künstler. Bloß keine Emphase, stattdessen nüchterne Bestandsaufnahme: Name, Ort, Punkt.

Nun also – Rolle rückwärts – wieder Leistungsschau. Gut so, der Mann aus der Politik nimmt kein Blatt vor den Mund, denn tatsächlich geht es um ein Kräftemessen. Nur gibt das in der Kunst keiner so gerne zu. Ha, Berlin ist die größte, tollste, attraktivste Kunststadt weit und breit. Da müssen sich London, New York, Paris erst einmal umschauen, charmiert Christine Macel, die Kuratorin vom Centre Pompidou, die zusammen mit Klaus Biesenbach sowie Hans-Ulrich Obrist als Berater für die Ausstellung „Based in Berlin“ Anschubhilfe leisteten. Am Ende haben es die fünf jungen Kuratoren Angelique Campens, Fredi Fischli, Magdalena Magiera, Jakob Schillinger und Scott Cameron Weaver gestemmt: 80 Künstler an fünf Ausstellungsorten innerhalb kürzester Zeit, ein starkes Stück.

Nach gewaltigem Auf und Ab, heftigen Diskussionen in der Szene, Boykottaufrufen und einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister ist das Projekt zu einem guten Ende gelangt. Das hat zunächst viel mit den Örtlichkeiten zu tun. Nachdem sich bei den kurz gehaltenen Kunsthäusern der Stadt Protest gegen das üppige Budget von „Based in Berlin“ (1,6 Millionen Euro) regte und die von Wowereit einst mit der Ausstellung initiierte Kunsthalle zunehmend obsolet erschien, organisierte die Sommerschau sehr clever genau in diesen Institutionen ihre Außenstationen: in den Kunst-Werken, im Hamburger Bahnhof, im Neuen Berliner Kunstverein und in der Berlinischen Galerie. Durch diese Vernetzung zeigt sich zugleich die Dichte permanenter Ausstellungsorte in der Stadt. Allerdings auch die Ähnlichkeit mit der Berlin-Biennale, die ihren Hauptsitz in den Kunst-Werken hat und ebenfalls gerne Unterschlupf in anderen Häusern sucht. Sollte der Erfolg von „Based in Berlin“ zur Wiederholung animieren, würde man damit nur eine Konkurrenz zu diesem anderen sommerlichen Kunstevent generieren, das alle zwei Jahre neu aufgelegt wird.

„Based in Berlin“ hat eher das Zeug zum One-Hit-Wonder, ähnlich wie 2005 die „White Cube“-Schau im Palast der Republik kurz vor dessen Demontage. Die Ausstellung war damals der Auslöser für die Kunsthallen-Debatte, denn nie mehr hat man so spannend, so präzise, so cool berlinisch die in der Stadt produzierte Kunst gesehen. Das könnte sich nun wiederholen, denn die Hauptstätte von „Based in Berlin“ ist das vor zwei Monaten aufgegebene Atelierhaus der Kunsthochschule Weißensee im Monbijoupark. Bis zum Abriss im September darf es noch einmal mit einer Ausstellung bespielt werden. Und schon erwachen wieder melancholische Gefühle: Wäre der herrlich marode Bau im Grünen, mitten in der Stadt, nicht doch dauerhaft für die Kunst zu retten?

Aber wenn eins nicht gilt bei „Based in Berlin“, dann ist es Sentimentalität. Die vornehmlich sehr jungen Künstler aus 26 Ländern sind klassische urbane Nomaden; sie kommen, bleiben eine Zeit lang und werden irgendwann auch wieder gehen. Das sieht auch Wowereit ganz pragmatisch: Bitte schön, dann nehmen sie halt ein Stück Berlin mit in alle Welt. Dass er sich dieser Message gerne für sein eigenes Prestige bedient, haben die Künstler durchaus erkannt: In den Kunst-Werken hängt ein riesiges aalglattes Wowi-Porträt mit dem Titel „The Allegory of Government“, und im Monbijoupark reiht sich eine Fotogalerie der einstigen Herausforderer des heutigen Regierenden an der Flurwand. Politischer Erfolg funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die Fernsehsendung „Deutschland sucht den Superstar“, so die Botschaft des amerikanisch-japanischen Künstlerpaares Jai Chung & Q Takeki Maeda. Nur einer kann gewinnen.

Im Monbijoupark siegt die Kunst, ganz klar. Sie lässt sich vor keinen Karren spannen. Mandla Reuters Eingriff in die Außenwand des Atelierhauses mit dem Titel „Nothing to See, Nothing to Hide“ spielt darauf an: Nur noch die Stützen der vorderen Fassade stehen, Park und Gebäude greifen ineinander. Das Modell der offenen Kommunikation kehrt in vielen Beiträgen wieder, etwa in Matthias Fritschs Video „We, Technoviking“. Es basiert auf dem Youtube-Clip eines Technotänzers, der in hunderten Clips Nachahmer fand. Das Verhältnis Individuum-Gesellschaft umkreist auch Asaf Koriat, indem er die von Celebrities gesungene amerikanische Nationalhymne zur Eröffnung des Super Bowls auf einem Splitscreen vorführt. Die Inbrunst wirkt grotesk und offenbart doch die Sehnsucht nach gemeinschaftlich Gefühltem.

Original und Fälschung lautet das andere Gegensatzpaar, an dem sich junge Künstler abarbeiten. So wurden für Oliver Larics Beitrag drei vermeintliche BMW-Geländewagen auf eine 13 Meter hohe Plattform über dem Atelierhaus gehoben, die jedoch aus chinesischer Billigproduktion stammen. Von hier oben hat der Besucher den besten Blick auf das Bodemuseum, den Hort der wahren Kunst, ihre letzte Weihestätte: „Buried in Berlin“. Lacht da jemand?

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