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Visionen aus dem All. „Every Decade Memory Poses as a Container Heavier than its Carrier“ aus dem Jahr 2013 von Basim Magdy.

© Sammlung Deutsche Bank

Basim Magdy in der DB-Kunsthalle: Schön, wie die Welt untergeht

In der DB-Kunsthalle Unter den Linden zeigt der Ägypter Basim Magdy seine Visionen der Menschheitsgeschichte.

So viel Zukunft war nie. „Die Sterne standen gut für ein Jahrhundert des Neubeginns“ lautet der Ausstellungstitel des „Künstlers des Jahres 2016“ der Deutschen Bank. Das passt zu einem Geldinstitut, das stets auf ein Morgen setzt, dessen Philosophie im Immer-mehr-immer-weiter besteht. Und doch macht sich in der DB-Kunsthalle Unter den Linden keine Hoffnung breit, die angekündigte Freude auf alles Kommende bleibt versagt. Da mögen Bilder und Filme Basim Magdys auf den ersten Blick noch so bunt und optimistisch sein. Der ägyptische Künstler ist zwar Utopie-Experte, jedoch der anderen Art: einer, der das letzte glimmende Fünkchen vor unseren Augen in den schönsten Farben verglühen lässt.

Wer Magdys Ausstellung besucht, tritt ein in einen Strom von Bildern, die zu Tableaus arrangiert an der Wand hängen, die als Diaprojektionen erscheinen und vergehen oder die als kryptische Filmerzählungen vorüberziehen. Der 39-jährige Künstler, der heute in Basel und Kairo lebt, ist ein Fantast und Erzähler von Geschichten, deren Scheitern von Anfang an feststeht. Sie handeln vom Ende der Welt, mal aus der Sicht eines vorfreudigen Kindes, mal aus der Sicht eines ernüchterten Archäologen, der die Überreste der Menschheit vor sich ausgebreitet hat.

Es ist nichts Besonderes an unserer Gegenwart

In Magdys Bilderkosmos treten Astronauten in plustrigen Anzügen auf: hinter ihnen das Firmament, über ihnen geometrische Körper, die zwischen futuristischem Flugobjekt und abstrakter Skulptur changieren. Ein Clown im Morgenrock führt einen verstrahlten Globus vor, ein Maskierter hält einen Fisch in die Höhe. Mensch und Tier, beide überzieht schlierige Farbe. Magdy ködert mit zukunftsfreudigem Appeal, mit Farben und Formen, wie man sie aus der Grafik der technikbegeisterten Siebziger kennt. Die Inhalte dieser symbolträchtigen Bilder aber werfen den Betrachter wieder zurück. Der Himmel, die Forschung, die Raumfahrt verheißen hier keinen Fortschritt mehr. Ein Unbehagen macht sich breit, das durch die poetisch rätselhaften Titel gesteigert wird: „Die Rückgabe der Sonne an die Erde an einem blauen Tag“ oder „Glück nimmt eine unidentifizierbare Form bei Sonnenuntergang an“.

Spätestens hier wird klar, dass der Ausstellungstitel die Zukunftsgläubigkeit des Menschen ad absurdum führt. „Kollektives Versagen“, so der Künstler, „hat heute die selbe Relevanz, die es im 19. Jahrhundert hatte und im 22. Jahrhundert haben wird. Es ist nichts Besonderes an unserer Gegenwart oder an dem, was wir beobachten. Wir sind nur naiv genug, all die Fehler zu wiederholen, die schon so oft begangen wurden.“ Magdy erzählt die Geschichte von Sisyphos als Drama der Gegenwart. Aufbau, Zerstörung, Wiederaufbau der Zivilisation folgen übergangslos hintereinander in den Endlosschleifen seiner Diaprojektionen.

Bilder mit aberwitzigen Motivkombinationen

Der einzige Trost besteht darin, dass der Künstler seine pessimistische Vision der Menschheitsgeschichte wie einen psychedelischen Trip serviert. Für seine Installation „A 240 Second Analysis of Failure and Hopefulness (With Coke, Vinegar and Other Tear Gas Remedies)“ legte er das Filmmaterial in jene erwähnten Ingredienzien ein, so dass sich das Zelluloid in den Farben Cyan, Pink und Grün verfärbte. „Film Pickling“ nennt der an der Kairoer Akademie zum Maler ausgebildete Künstler diese Technik, die den Zufall als kreativen Faktor einbezieht. Dieses surrealistische Prinzip setzt er auch bei den aberwitzigen Motivkombinationen in seinen Bildern ein, etwa wenn er Mann und Frau mit einer überdimensionalen Languste zusammenbringt oder übereinander gestapelte Schildkröten eine Weltkarte tragen lässt.

Tiere kommen immer wieder in den von Magdy Fantasmagorien vor. „Sie sind eine andere Welt, mitten in unserer Welt,“ sagt er. Zu den stärksten Eindrücken gehören deshalb jene zusammengeschnittenen Filmaufnahmen, in denen sich präparierte Wildkatzen und sozialistische Heldenskulpturen begegnen. Magdy gehört zu jener Generation der Post-Internet-Künstler, die den stetigen Bilderfluss kultivieren. Das Neben- und Übereinander der Realitäten in ihren Werken ist eine Selbstverständlichkeit, sie werden wild, laut, schnell collagiert.

Den Sternen kann man nicht trauen

Magdy gehört da zu den Leiseren. Seine Kunst könnte sich deshalb als überraschender Außenposten der nächste Woche beginnenden Berlin-Biennale erweisen. Das Kuratorenteam der Biennale, die vier Macher des Online-Magazin DIS, versprechen frei flottierende Begegnungen von Künstlern, Orten, Techniken, eine Meinung versagen sie sich dabei.

Der virtuelle Raum nivelliert, Politik bleibt außen vor. Magdy dagegen lässt in seinen Bildern und Filmsequenzen nicht irgendetwas passieren und wartet ab. Der ägyptische Künstler positioniert sich als Mahner, auch wenn das bei dem angenehm leichten Flow seiner Bilder leicht übersehen werden kann. Gewiss, seine Kritik ist verklausuliert, wie bei einem von einer Bank gekrönten Künstler nicht anders zu erwarten. Und doch spürt jeder sogleich, dass etwas mächtig schiefläuft in diesem Jahrhundert des Neubeginns. Den Sternen ist eben auch nicht mehr zu trauen.

DB-Kunsthalle, Unter den Linden 13 / 15, bis 3. 7.; tägl. 10 – 20 Uhr. Katalog (HatjeCantz) 35 €.

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