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Kultur: Bauer sucht Frau und Melkmaschine

Im Kino: „Sie sind ein schöner Mann“

Im Kino: „Sie sind ein schöner Mann“ „Sie sind ein schöner Mann“ gehört zum Genre des Poesie-auf-dem-Lande-Films. Früher war der gehobene Agrikulturfilm, auch Heimatfilm genannt, vor allem poetisch. Denn ist der Bauer nicht doch näher dran an sich selbst, am Leben und dessen Wurzeln? Der Bauer, der unentfremdete Mensch. Das war gestern. Der Landwirtschaftsfilm neueren Typs zeigt: Der Bauer ist von allem weiter weg. Vor allem vom Menschen, erst recht vom Mitmenschen.

Aymé ist ein Vollbauer, und so einer weiß instinktiv, dass Gott die Frau erfunden hat, weil sein Hof zu groß ist, um die Arbeit allein schaffen zu können. In diesem stillen Einverständnis einer Produktionsgemeinschaft leben Aymé und seine Frau schon viele Jahre. Und gäbe es kein Fernsehen und keine amerikanischen Serien, wäre nie der Tag gekommen, an dem der Bauer seiner Frau vorwarf, genauso dekadent und egoistisch zu sein wie die Amerikaner im Fernsehen. Nur weil die Bauersfrau beim Kochen jeden zweiten Blick nicht in den Topf, sondern auf den Bildschirm wirft.

Kulturkritisch betrachtet haben wir hier ein Phänomen vor uns: die vermeintlich unentfremdeten Lebensformen sind erstaunlich ungeschützt gegen kulturindustrielle Verführungen aller Art. Trotzdem muss die Bauersfrau sich unbedingt verkannt fühlen. Und wäre sie nicht zornig in den Stall gelaufen, und wäre die Melkmaschine nicht kaputt gewesen, hätte der Bauer nun nicht diesen ärgerlich zeitraubenden Termin beim Beerdigungsinstitut. Und wer arbeitet ab jetzt für ihn?

Die Gemütskargheit des Bauern kommt der Lakonie der neueren Filmsprachen entgegen, allzeit nah dran am schwarzen Humor. Sogar die Franzosen drehen auffällig viele Landwirtschaftsfilme neueren Typs, und diesen hier hat Isabelle Mergault eigens für den wunderbaren Michel Blanc geschrieben. „Sie sind ein schöner Mann“ ist natürlich eine Komödie. Man braucht nur den Titel mit Blancs Gesicht vergleichen: Unscheinbarer, übersehensgefährdeter kann man nicht aussehen.

Natürlich besitzt die Kargheit, wenn’s ums Lachen geht, keine große Tradition in Frankreich. Und noch immer ist es schwer, auf Französisch zu lachen. „Sie sind ein schöner Mann“ ist ein Mittelding. Er hat mitunter das etwas Krachlederne, das Zuviel, das Alberne – aber es ist nie der Hauptton, denn Mergault ist ohne Frage eine Minimalistin und der Humor ihres Films ist zugleich immer einer der Bilder.

Der Kritiker aber, der sich verführen ließe, das nun Folgende zu erzählen, sollte mit Berufsverbot belegt werden. Nur so viel: Amyé braucht ja nicht nur eine neue Melkmaschine, weshalb er die Landwirtschaftsmesse in Hannover besuchen will, sondern auch eine neue Frau. Und die sucht und findet er nicht in Hannover, sondern in Rumänien. Aber dass die Amerikaner in den Serien so gar nichts sind gegen die Rumänen, das hat Amyé nicht gewusst. Wie viel Zärtlichkeit, wie viel Wärme dieser Kühlschrank von einem Film in sich trägt!

In Berlin im Cinema Paris, Filmkunst 66, FaF, Kulturbrauerei-Kino, Passage

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