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„Bazaar Cassandra“ an der Neuköllner Oper: Alles hört auf mich

Kassandra im Berliner Second-Hand-Laden: Im neuen Musiktheaterstück der Neuköllner Oper „Bazaar Cassandra“ wagt man sich an eine Neuinterpretation des mythologischen Stoffes.

Überbringern schlechter Nachrichten ergeht es häufig schlecht. Das war bereits im alten Griechenland so, wie der Mythos der Kassandra zeigt. Vom Gott Apollo mit der Gabe der Weissagung ausgestattet, kann sie zwar Ereignisse wie den Fall Trojas vorhersagen – es hört nur niemand auf sie. Stattdessen wird sie Opfer von Kriegswirren, wird vergewaltigt, entführt und getötet.

An der Neuköllner Oper wagt man sich unter dem Titel „Bazaar Cassandra“ an eine Neuinterpretation des Stoffes. Cassandra, hier Spanierin und Besitzerin eines Second-Hand-Ladens in Berlin, sieht den Absturz eines Flugzeuges voraus, bei dem auch Frank und seine Eltern sterben werden – jener Frank, in den ihre Tochter Alcipe verliebt ist. Diese warnt Frank und offenbart damit die Fähigkeiten ihrer Mutter. Franks Vater, ein EU-Politiker, taucht kurz darauf im Geschäft von Cassandra auf. Gegensätzliche Lebenswelten prallen aufeinander, die verbitterte Politikhasserin und der windige Staatsmann.

Mario Portmann findet Ebola-Bilder für seine Inszenierung

Regisseur Mario Portmann findet hervorragende Bilder für diesen Konflikt. Immer wieder arbeitet er mit feiner Ironie, scheut aber auch nicht vor bitteren Momenten zurück. Besonders prägnant: Portmann lässt einige seiner Akteure in Schutzanzügen über die Bühne laufen, während Cassandra auf die Untätigkeit der Politikerklasse schimpft. Ein in Zeiten einer Ebola-Epidemie sicherlich nicht ohne Hintergedanken gewähltes Bild.

Unterhaltsam und spannend ist die Musik des spanischen Komponisten Enric Palomar. Auf weiche und verspielte Melodielinien folgen scharfkantige Akzente, die das siebenköpfige Orchester unter Hans-Peter Kirchbergs Leitung fein herausarbeitet. Die Sänger stellt Palomar teilweise vor große Aufgaben, vor allem Maria Hilmes als Cassandra, die ihren Mezzosporan sehr emotional und dramatisch führt. Stimmlich in einigen Teilen etwas blass bleibt dagegen Markus Matheis als Vater. Allerdings ist er darstellerisch brillant, changierend zwischen charismatischem Politiker und untergebuttertem Ehemann.

Als Überraschung entpuppt sich der junge niederländische Tenor Linard Vrielink als Frank. Nach kleinen Anlaufschwierigkeiten begeistert der UdK-Student mit kräftigem und gefühlvollem Gesang.

Weitere Aufführungen bis 8. November.

Moritz Eckert

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