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Kultur: "Beau Travail": Wir warten auf den nächsten Krieg. Wer gegen wen? Egal. Hauptsache Krieg.

Djibouti, Stück mondleere Erde im vergessenen Nordosten Afrikas. Djibouti, Ex-Kolonie der Franzosen.

Djibouti, Stück mondleere Erde im vergessenen Nordosten Afrikas. Djibouti, Ex-Kolonie der Franzosen. Djibouti, fast surreale Enklave, Brocken sonnenflirrender Salzwüste im Meer, verdorrtes Felsenland. Hier probt ein Trupp kahlgeschorener Männer für den Krieg. Für Kämpfe, die noch auszufechten sind von irgendjemandem gegen irgendwen. Leben im Wartestand. Nur einmal bricht der Ernstfall über die Truppe herein, als ein amerikanischer Helikopter vor der Küste ins Meer stürzt. Sonst: Langeweile. Aggression auch. Manchmal Ausgang mit Tanz, raus zu den Frauen in der Stadt. Ausgang: so anders als alles sonst, gehört kaum dazu. - Die französische Regisseurin Claire Denis, Jahrgang 1946 und in Afrika aufgewachsen, hat in Djibouti ihre Adaption von Hermann Melvilles Erzählung "Billy Bud" angesiedelt. Sein letztes umrätseltes Werk erzählt von einem jungen, allzu gutmütigen Matrosen, der auf einem britischen Schlachtschiff auf tragische Weise den Intrigen eines Unteroffiziers zum Opfer fällt. Eine Geschichte von Gut und Böse, von Arglosigkeit und Neid. Claire Denis, eine der eigenwilligsten Regisseurinnen des französischen Kinos, hat Dokumentar- und Spielfilme gemacht, eine Musiktruppe und den Kollegen Jacques Rivette porträtiert, von Hahnenkämpfern und Serienmördern erzählt und von Einwanderern und Überlebenskünstlern, von Einsamkeit und Nacht; und zuletzt in "Nénette et Boni" von einer schwierigen Geschwisterbeziehung. - Immer geht es in ihren Filmen um das Fremdsein, das weh tut, doch wenigstens lässt es sich lernen. Ihre Kamera erforscht die Welt für uns, führt sie nicht vor. Auch Beau travail ist eine solche Suchbewegung; und bringt extreme Spannungen, so lange ein Film dauert, in ein Gleichgewicht. Strahlende Helle und existenzielle Düsternis, Kriegsspiel und Zärtlichkeit, Tänzer und Legionäre, Benjamin Britten und Neil Young, fast dokumentarische Einstellungen und kunstvolle Choreografien: Ja, sind die Bügelübungen der Männer nicht eben so ein Ballett wie ihre anderen Gruppenrituale? - Der Offizier Galoup nennt die Fremdenlegion "la famille". Doch da ist er schon entlassen, unehrenhalber. Denn Galoup hat gegen die Gesetze der Familie verstoßen. Jetzt sitzt er allein in einem Zimmer in Marseille. Die Geschichte, die hier rückblickend erzählt wird, greift Grundstimmung und Charaktere Melvilles auf, gibt den Geschehnissen aber andere Gewichtung und Wendung. Legionär Sentain (der mönchisch schöne Grégoire Colin aus "Nénette et Boni") wird für uns zum fast sprachlosen Objekt der Begierde. Mit Colin, Galoup selbst (Denis Lavant) und seinem alten Vorgesetzten (Michel Subor) treffen hier auch drei Generationen französischer Schauspieler aufeinander. Sentain, der Strahlende, wird am Ende jämmerlich im Wüstensand verdursten. Galoup ist schuldig. Ist es Eifersucht, die Galoup trieb? Begehren? Oder der Neid auf die Jugend? - "Beau Travail" ist kein Film über die Fremdenlegion und doch ein Film über die Fremdenlegion. Kein Film über Männer und doch ein Film über Männer. Männerkörper, zugleich tätig und sinnlos, gegenwärtig und schon bald vergangen. Und schön. Schön wie Felsen im Meer.

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