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Beethoven-Zyklus: Schmauchspur der Revolution

Zum Beethoven-Zyklus des RSB mit Janowski - passte nicht ganz, wurde trotzdem bejubelt.

Im Fußball würde man jetzt von einem Eigentor sprechen. Man brütet einen Beethoven-Zyklus aus und will die Sache natürlich ein bisschen anders machen, beginnt mit der Neunten, fährt mit der Missa solemnis fort – und garniert die acht übrigen Symphonien in vier Konzerten mit vier jeweils „die Aussage vertiefenden“ Streichquartetten. Kurios, aber nicht blöd, schließlich kannte Beethoven selbst kaum Konzerte mit monochromer Besetzung.

Marek Janowski und seine Dramaturgie indes entschließen sich dazu, das Quartett (in diesem Fall op. 18,4) auf zwei Symphonien (in diesem Fall die Vierte und die Fünfte) folgen zu lassen, als eine Art Satyrspiel oder Wurmfortsatz. Das heißt: Es gibt zwei Pausen, und während die Musiker des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin offstage längst die Instrumentenkoffer zuklappen, wird vorne immer noch Beethoven gespielt. Eine missliche Situation, die sich ästhetisch noch dadurch verstärkt, dass das junge polnische Appollon-Musagète-Quartett alle Tugenden an den Tag legt, die Janowski und das RSB vermissen lassen: Eleganz und Natürlichkeit in der Artikulation, Tempi voller Verve, viel Duft im Klanglichen, ein wienerisch-schlawinerisches Musikantentum mit federleichten Bogenhänden und einem Herzschlag, dem die Dimension der „Schicksalstonart“ c-Moll wohl vertraut ist. Jawohl, so und nicht anders!

Bei der „Schicksalssymphonie“ tönt das ganz anders. Zwar bemüht sich Janowski in den Ecksätzen der Fünften um Entschiedenheit und Strenge, das berüchtigte Ta- ta-ta-taa, Ta-ta-ta-taa etwa nimmt er ohne unheilsschwangere Zäsur, doch mehr als ein ruppiges, kantiges Eilen durch die Partitur erbringt das nicht. Das RSB mag unter der Stabführung seines Chefs auf der Stuhlkante sitzen; dass die Musiker es weniger aus künstlerischer Erregung tun denn aus Angst vor Janowskis so akribischer wie martialischer Schlagtechnik und vor eigenen Patzern, offenbart sich im langsamen Satz: Ohne das geringste Gespür für Übergänge, für Licht- und Farbwechsel winkt Janowski hier durch, was der Satz an Themen liefert. Blockabfertigung, kalten Blutes.

Auch die Vierte erklingt im Gewand mit einer enorm straffen, enorm wenig sagenden Motorik (und im Adagio mit einigen sehr detaillistischen Anmerkungen). Vom Haydnschen Witz des Finales, von den Schmauchspuren der Revolution und der adretten Bürgerlichkeit des Glücks keine Spur. Ein Beethoven-Bild wie in altes Erz gehauen. Trotzdem viel Jubel.

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