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Holly Jane-Rahlens schickt ihre Helden in das Berlin von 1891 - als Mark Twain hier lebte.

© rowohlt rotfuchs

Bei Mark Twain in Berlin: Ein Yankee in der Kaiserzeit

Holly-Jane Rahlens schickt ihre jungen Helden in ihrem neuen Jugendroman "Federflüstern" in die Vergangenheit - zu Mark Twain in das Berlin von 1891.

Von Andreas Austilat

Diese Welt ist aus den Fugen – aber nur ein kleines bisschen. Denn das ist gar nichts im Vergleich zu dem, was die jungen Protagonisten in Holly-Jane Rahlens Roman „Federflüstern“ noch erwartet. Eine Zeitreise nämlich, ins Berlin des Jahres 1891. Und weil Zeitreisen nun einmal kein leichtes Unterfangen sind, besteht durchaus die Gefahr, dass es eine Reise ohne Wiederkehr wird. Sonst wäre es ja auch kein Abenteuer.

„Federflüstern“ ist der zweite Jugendroman aus der Serie „Generation Dark Winter“, wie Rahlens den Titel aus der Hand einer ihrer Figuren anmoderieren lässt. Und wie in diesem Vorwort versprochen, funktioniert das Buch tatsächlich, ohne dass man den ersten Band gelesen hat. Was einem fehlen könnte, wird nebenbei vermittelt, ohne den Spaß zu verderben, sollte man „Blätterrauschen“, den ersten Teil, später lesen wollen.

In diesem ersten Teil waren der 13-jährige Oliver, die gleichaltrige Freundin Rosa und die neunmalkluge, ein Jahr jüngere Iris in das Berlin des Jahres 2273 gereist. Was ihnen dort widerfuhr wurde nach der wichtigsten Regel der „Hawking School of Time Travel“ – in der Zukunft wird leider kein Deutsch mehr gesprochen, das heißt nur noch von einigen wenigen Rebellen – aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Beinahe wenigstens, auch in der Zukunft funktioniert offenbar nicht alles hundertprozentig. Weshalb manches in ihrer Gegenwart, wie eingangs angedeutet, nun ein bisschen neben der Spur ist.

Aber es kommt ja noch dicker. Die drei kriegen Besuch aus der Zukunft – bis schließlich das bewährte Fünf-Freunde- Schema komplett ist. Nur dass sich hier erst noch zeigen muss, wer eigentlich Freund ist und wer vielleicht doch zu den Garstigen zählt.

Von Tagesspiegel-Redakteure Andreas Austilat stammt das Buch "Mark Twain in Berlin. Bummel durch das europäische Chicago", das 2014 im bebra Verlag erscheinen ist (216 Seiten, 19,95 Euro).
Von Tagesspiegel-Redakteure Andreas Austilat stammt das Buch "Mark Twain in Berlin. Bummel durch das europäische Chicago", das 2014 im bebra Verlag erscheinen ist (216 Seiten, 19,95 Euro).

© bebra Verlag

Gemeinsam erleben sie einen „Zeitsturz“, der sie zurück in das winterliche, nach Braunkohlemief stinkende Berlin der Kaiserzeit führt. Das ist Pech, denn sie haben weder das passende Geld noch die richtige Kleidung, und das Smartphone ist hier auch keine Hilfe. Außerdem haben in diesem Berlin Kinder nichts zu lachen. Entweder sie gehören der Oberschicht an, dann sollten sie nach Einbruch der Dunkelheit ohne Begleitung Erwachsener nicht auf der Straße sein. Oder sie sind arme Straßenkids, die sich vor der Polizei in Acht nehmen müssen.

Aber die Havarierten haben Glück: Sie geraten an Mark Twain, der damals tatsächlich für ein halbes Jahr in Berlin lebte. Mit seiner Familie übrigens, leider war für Frau und Töchter in diesem Roman kein Platz, das hätte wohl den Rahmen gesprengt. Trotzdem schade, aus dem Aufeinandertreffen von Jugendlichen aus drei verschiedenen Jahrhunderten wäre noch allerhand Stoff zu gewinnen gewesen.

Mark Twain kennt sich aus mit herumstromernden Kindern

So also Mark Twain allein. Der Autor von Tom Sawyer und Huckleberry Finn kennt sich aus mit herumstromernden Kindern. Und mit Zeitreisenden sowieso, man denke nur an „Ein Yankee an König Artus’ Hof“. Twain schwadroniert über die schreckliche deutsche Sprache, lobt die deutschen Postboten und klagt über preußische Polizisten. Das ist authentisch, und es wäre sogar noch ein wenig mehr drin gewesen in dieser Kulisse. Freilich wieder um die Gefahr, das Buch zu überfrachten.

Holly Jane Rahlens, die Ex-New Yorkerin, die längst Berlinerin ist und eine preisgekrönte Autorin, behält die Handlungsfäden in der Hand, was nicht leicht ist beim Ritt durch drei Jahrhunderte. Ob und wie ihre jungen Helden das Abenteuer bestehen, darf hier natürlich nicht verraten werden. So viel aber doch: Es ist amüsant zu lesen, die Problematik die mit einer Zeitreise einherginge, wird mit leichter Hand serviert, spannend ist es auch. Und ganz nebenbei spielt das gute alte Buch eine wichtige Rolle, hält es doch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft am Ende zusammen – analog und ohne Strom. Weitere Abenteuer dürfen gern folgen.

Holly-Jane Rahlens: Federflüstern. Aus dem Englischen von Alexandra Ernst. Rowohlt Verlag, reinbek bei Hamburg 2016. 320 Seiten. 16,99 Euro. Ab zwölf Jahren.

Weitere Rezensionen finden Sie auf unserer Themenseite.

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