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Kultur: Beim Barte des Pharao

Nicht einmal Claude Monet und Vincent van Gogh konnten dem ägyptischen Pharao das Wasser reichen."Tut-ench-Amun" war die erfolgreichste Ausstellung aller Zeiten.

Nicht einmal Claude Monet und Vincent van Gogh konnten dem ägyptischen Pharao das Wasser reichen."Tut-ench-Amun" war die erfolgreichste Ausstellung aller Zeiten.In Paris, wo sie 1969 zu sehen war, sahen sie mehr als 1,2 Millionen Besucher.In den amerikanischen Städten, zwischen denen sie von 1976 bis 1979 zirkulierte, griff eine regelrechte Tutomanie um sich: Uhren mit Hieroglyphen, Kalender, Bierfilze und Krawatten mit ägyptischen Motiven machten "Tut" in ganz Amerika populär.Das Ägyptische Museum in Kairo strich für die Ausleihe seines wertvollsten Schatzes 2,6 Millione Dollar ein.

Ob es dem Grand Palais gelingt, mit seiner Ausstellung "Ägyptische Kunst zur Zeit der Pyramiden" den Sensationserfolg zu wiederholen, bleibt abzuwarten.Im Vermarkten sind die Franzosen nicht so pfiffig wie die Amerikaner.Aber da die Schau später nach New York und Toronto weiterreist, stehen die Aussichten nicht schlecht.

Verdient wäre er, der Erfolg.Denn - so sonderbar es klingt - eine Ausstellung dieser Art hat es bisher noch nie gegeben.Jeder kennt die Pyramiden von Giseh, vielleicht auch die Knickpyramide von Dahschur und die Stufenpyramide von Sakkara.Doch die Skulpturen und das Kunsthandwerk des Alten Reiches (2700-2200 v.Chr.) standen stets im Schatten späterer Perioden.Ein Grund für die Zurückhaltung der Museumsleute war, daß aus der Frühzeit viel verloren ging: Alle Pyramiden und Mastabas, die trapezförmigen Grabbauten der hohen Beamten, wurden ausgeraubt.Ein anderer Grund war die Schwierigkeit, die erhaltenen Objekte zu datieren.Der "kauernde Schreiber", einer der Publikumsliebinge im Louvre, könnte ebensogut aus der 4., der 5.oder der 6.Dynastie stammen.Das ist ungefähr so, als wären die Historiker unsicher, ob Martin Luther und Adolf Hitler Zeitgenossen waren oder nicht.Unstreitig ist, daß das Alte Reich bei den Späteren als das goldene Zeitalter der ägyptischen Kunst galt.Wer die Ausstellung im Grand Palais gesehen hat, versteht, warum.

Es ist kein Zufall, daß die Franzosen dieInitiative ergriffen haben.Die französische Ägyptologie kann auf eine lange, bedeutende Geschichte zurückblicken.Es war ein Franzose, Jean-François Champollion, dem der enscheidende Schritt bei der Entzifferung der Hieroglyphen gelangt.Und es war auch ein Franzose, Auguste Mariette, der das Ägyptische Museum in Kairo gründete.Um den Vizekönig Ismail Pasha, einen leidenschaftlichen Opernfreund, günstig zu stimmen, verfaßte er die Geschichte von deräthiopischen Königstochter Aida, die sich in den ägyptischen Prinzen Ramades verliebt, und übreredete Giuseppe Verdi, sie zu vertonen.Mit der Gemeinschaftsarbeit wurde das neue Opernhaus in Kairo eingeweiht.Kein Wunder, daß der Louvre dank dieser innigen Verbindung über eine außergewöhnlich reiche ägyptische Abteilung verfügt.Doch hat sich die Leiterin der Abteilung und Organisation der Ausstellung, Christiane Ziegler, bei allen guten Adressen um Leihgaben bemüht.

Zusammengekommen sind gut 200 erlesene Stücke - Skulpturen, Stelen, Möbel, Keramiken, Halbreliefs, Schmuck.Die Tiergötter, die wir aus späteren Epochen kennen, fehlen.Um so reichlicher vertreten sind Pharaonen, Prinzen und Prinzessinnen, Höflinge und Hofdamen - die meisten in jener eigentümlich steifen Haltung, die uns auch in der frühen griechischen Kunst begegnet.Auf dem Kopf tragen sie Perücken und bei zeremoniellen Anlässen einen Umhängebart.Der einzige natürliche Haarwuchs, den sich die Männer gestatteten, scheint der Schnurrbart gewesen zu sein.Gegen Ende des Alten Reiches lockert sich die strenge Tradition.Die Körper werden manieristisch schlank, Köpfe und Augen übergroß.Besonders amüsant sind die Figurinen, die man den verstorbenen Mächtigen mit ins Grab gab.Es sollte ihnen im Jenseits an nichts fehlen: Bäcker und Metzger sorgten für ihr leibliches Wohl, Musikanten und Hofnarren für die Unterhaltung.

Umstritten ist die Bedeutung der sogenannten Reserveköpfe: Die einen halten sie für gewöhnliche Perückenhalter, andere wegen ihrer Verstümmelungen für Stellvertreter des Toten, an denen ein geheimnisvolles Ritual vollzogen wurde, das seine Rückkehr verhindern sollte.Eine Maquette der Nekropole von Sakkara einschließlich der Werkzeuge, die beim Bau der Pyramiden verwendet wurden, erlaubt es, die Funde topographisch einzuordnen.Die Pyramiden wurden übrigens nicht von Sklaven gebaut, sondern von gewöhnlichen Arbeitern.

Wer genügend Zeit hat, sollte drei Metro-Stationen weiterfahren und im Louvre die renovierte und vergrößerte ägyptische Abteilung durchwandern.Dort findet er die Katzengötter und Hundemumien, die er im Grand Palais vermißt hat - nicht zu vergessen den für die Ewigkeit präparierten Nilhecht, der die Stirn hatte, das Glied des Totengottes Osiris zu verspeisen.

Grand Palais, Paris, bis 12.Juli.

JÖRG VON UTHMANN

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