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Zach Condon, Kopf der Band Beirut.

© dpa

Beirut live in Berlin: Wackeln und weinen

Zach Condon und seine Band Beirut zelebrierten bei ihrem einzigen Deutschlandkonzert in der Berliner Columbiahalle ihren anrührenden Wehmutspop.

Von Oliver Bilger

Als Zach Condon aus Santa Fe im Jahr 2006 eine Platte namens „The Gulag Orkestar“ aufnimmt, passt sie perfekt in den aktuellen Trend. Es ist die Hochzeit der Balkan-Beats-Partys von Shantel, Robert Soko und Co. Halb New York tanzt im Polka-Rhythmus und der 20-jähriger Amerikaner veröffentlicht sein musikalisches Reisetagebuch unter dem Namen Beirut. Das Besondere an diesem Album: Condon lässt sich tief beeindrucken von den Orten, die er besucht, von den fremden Melodien, die er hört, bleibt aber stets Tourist. Er schickt „Postcards from Italy“, Grüße aus dem „Rhineland (Heartland)“ und aus „Bratislava“. Es sind melancholische Trompetenklagen und wilde Tanzlieder aus Balkanländern, aber komponiert wurden sie von einem, der aus einer anderen Kultur kommt. Vielleicht erzielt Condon gerade durch diese Distanz den Massenappeal seiner Musik. Weil jeder fast überall fremd ist.

In der ausverkauften Columbiahalle in Berlin sind die sechs Musiker von Beirut nun unter Freunden. Es braucht keine große Worte von dem stets schüchternen Condon. Es ist Beiruts erstes Konzert in Berlin seit vier Jahren und das einzige in Deutschland. Da es zum Tanzen zu eng ist, bilden die 3000 Menschen ein Kabinett aus Wackeldackeln, es wird gewippt und geschunkelt. Und geknutscht, ziemlich viel geknutscht, was die Vermutung nahelegt, dass hier viele Paare an ihre wilden Anfangszeiten erinnert werden, als sie das Bett nicht verließen, sich aber von Condon von der Welt jenseits der zerwühlten Laken berichten ließ.

Über das gerade erschienene Album „No No No“ hat die Kritik nicht all zu freundliche Worte verloren. Und der Einschätzung, dass es ein Werk ohne die Ecken und Kanten der ersten drei LPs geworden sei, kann man durchaus zustimmen. Ein Album von eher selbsttherapierender Wirkung, die Condon nach Scheidung, Burn-out und Schreibblockade auch bitter nötig hatte.

An diesem Abend ist das egal. Was zählt ist, dass Beirut Lieder wie „Elephant Gun“, „Nantes“, „In The Mausoleum“ oder „Postcards from Italy“ haben, die von überirdischer Schönheit sind. Diese live zu hören, zumal von einer Band, die so gut harmoniert, reicht schon. Zach Condons Lyrics versteht man schlecht, doch seine sinnliche Stimme ist sowieso am stärksten, wenn sie keinen Text singt, sondern nur langgezogene Klagelaute ausstößt. In der ersten Reihe weinen mehrere Menschen – vor Glück oder Überwältigung, wer weiß das schon. Beirut schaffen es, dass man beim Zuhören viele verschiedene Gefühle auf einmal fühlt – Melancholie, schaukelnde Lebensfreude, ein bisschen Weltschmerz und Zuversicht – kein Wunder also, dass das für manche ein bisschen viel auf einmal ist.

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