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Kultur: Bekenntnisse

Natürlich hat Klaus Völker recht.Im Vergleich zu Wien, Zürich, Hamburg oder München, so meint der unermüdliche Organisator des alljährlich parallel zum Theatertreffen statfindenden "Stückemarkts", fehle den Berliner Theatern der Mut, zeitgenössische deutschsprachige Autoren auf die Bühne zu bringen.

Natürlich hat Klaus Völker recht.Im Vergleich zu Wien, Zürich, Hamburg oder München, so meint der unermüdliche Organisator des alljährlich parallel zum Theatertreffen statfindenden "Stückemarkts", fehle den Berliner Theatern der Mut, zeitgenössische deutschsprachige Autoren auf die Bühne zu bringen.Was andernorts selbstverständlich ist, nämlich das Wagnis, junge Autoren zu fördern und auch zu spielen, sei in Berlin abhanden gekommen.Was wäre die Schaubühne Peter Steins ohne Botho Strauß gewesen? Schnee von gestern - jetzt würde es dem leicht resigniert wirkenden Leiter der Ernst Busch-Hochschule für Schauspielkunst ja schon reichen, wenn ab und zu eines der Stückemarkt-Entdeckungen im Berliner Spielplan auftauchte.Doch wo sind die Berliner Bühnen, die Texte von Albert Ostermaier, Marius von Mayenburg oder Moritz Rinke zur Uraufführung bringen?

Zum Beispiel "Jenseits".So heißt der neue Bühnentext des 1960 in Waldsassen geborenen, heute in Berlin und in der Oberpfalz lebenden Autors Werner Fritsch, dessen Stücke gemeinhin in Mannheim oder Darmstadt das Bühnenlicht erblicken.Daß der knapp zweistündige Monolog eines archaisch anmutenden Urviechs aus der oberpfälzischen Provinz, daß diese Sprachexkremente eines unsympathischen Hurenbocks und Totschlägers je im gediegenen Berliner Bühnengrau eine Chance haben könnten, ist kaum anzunehmen.Die Lektüre des Stückes ist ein peinigendes, quälendes Unterfangen.Etwas erträglicher wird es, wenn der frühere Schaubühnen-Star Peter Simonischek die unter egomanischem Dauerdruck stehenden obszönen Auswürfe von Endlosplapperer "Wolfram Sexmachine Sinn" sprachlich modelliert, wenn er durch kluge Tempoverschleppungen und gezielte Aufrauungen ein paar nachdenkliche Tiefenschichten in den ekelerregenden Text hineinliest.Doch daß man am Ende Mitleid mit dem Unterweltspezi Wolfram bekommen könnte, der angesichts einer auf seinen Kopf gerichteten Revolvermündung sein verkorkstes Leben wie einen letzten Film ablaufen läßt, kann man nicht gerade behaupten.

Als hätten wir, die moralisch gutmenschelnden Zuschauer, den Finger am Abzugshahn, quasselt sich Wolfram um Kopf und Kragen.Er erzählt von Cora, seiner zur Hure gewordenen Ehefrau, die eines Tages tot im Puff gefunden wurde.Von Klostermeyer, dem brutalen Zuhälter, von Drecksäuen und Arschlöchern, Wichsvorlagen und Geschlechtsumwandlungen, von Mord und Totschlag und von einer Hitlermaske.Hinter der verbirgt sich jener schweigsame Revolvermensch, der die Quasselstrippe ins Jenseits befördern will.Oder doch nicht? Eine schwierige Frage.Aber sie zu beantworten, interessiert uns nicht die Bohne.So wenig wie das Leben des "Wolfram Sexmachine Sinn".Soll der Hitlermasken-Mensch diesen Gewaltprediger doch abknallen! Verdient hätte er es.

FRANK DIETSCHREIT

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