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Berggruen-Museum: Picasso, Pech und Pannen

Nach drei Jahren Sanierung ist es soweit: Der Anbau des Berggruen-Museums feiert seine zweite Premiere.

Das kann passieren, darf aber natürlich nicht. Ein halbes Jahr war der 7,6 Millionen Euro teure Anbau des Museum Berggruen gerade einmal geöffnet. Da musste er im Herbst 2013 auch schon wieder geschlossen werden: Baumängel im Dachgeschoss, Schimmelbefall auf breiter Front. Beim Anschluss der Klimaanlage war gepfuscht worden. Es ist der Albtraum eines jeden Hausherrn, ein Desaster für das erklärte Lieblingsmuseum der Berliner, das allerdings in den letzten Jahren zunehmend an Publikum verlor.

Mit dem neuen Flügel, dem durch eine moderne Gangway aus Glas und Stahl angeschlossenen Kommandantenhaus, sollte ein Neubeginn versucht werden, eine Steigerung der Attraktivität des Museumsstandorts Charlottenburg. Ähnlich wie Dahlem steht er als Außenposten der Staatlichen Museen im Vergleich zur Museumsinsel und dem Hamburger Bahnhof abgeschlagen da. Von mageren 64 000 waren die Besucherzahlen 2013 in den wenigen Monaten der Wiedereröffnung auf 135 000 hochgeschossen. Danach kam der Fall, die Schließung. Nur noch das Haupthaus, der Stülerbau, blieb zugänglich, während im hinteren Bereich die Bauarbeiten begannen. Die Besucherzahlen stagnierten wieder.

Das soll nun anders werden. Das Museum Berggruen präsentiert sich wieder vollständig. Am Sonntag feiert es die zweite Eröffnung seines Anbaus – mit einem Tag der offenen Tür, mit Führungen, Workshops für Kinder, um die Misslichkeiten der letzten drei Jahre vergessen zu machen. Die 1,6 Millionen teure Reparatur als Folge einer undichten Dampfsperre inklusive vollständiger Dacherneuerung werden bei den schlampigen Firmen wieder eingetrieben, die Haftpflichtversicherungen sind eingeschaltet. Nicht länger Gutachter, Bauexperten, zerknirschte Architekten laufen treppauf, treppab, Handwerker mit schwerem Gerät, sondern Besucher, Kuratoren, Aufsichtskräfte.

Ungekrönter König Picasso

Und weil es beim ersten Mal, bei der Premiere vor drei Jahren so schön war, wiederholt sich das Spiel. Für Klee und Matisse sind die hinzugewonnenen Räume erneut reserviert. Das Publikum bekommt noch einmal die identische Hängung zu sehen. Die beiden Künstler bilden das Gegengewicht zu Picasso, dem ungekrönten König der Berggruen-Kollektion, der sein Besuchervolk im Haupthaus empfängt. Klee passt perfekt in die kleinen Räume des Kommandantenhauses, die durch die hinter vorgebauten Wänden versteckte Technik allerdings noch enger geworden sind. An die feinen Aquarelle, die subtile Malerei tritt man ohnehin nahe heran, um alle Details zu sehen. Siebzig Werke umfasst hier insgesamt der Bestand. Bei Matisse’ herrlichen Papiers coupés allerdings wünscht man sich mehr Licht, Luft herbei. Auch das ist wie beim letzten Mal: Das transformierte Kommandantenhaus, das 1892/93 als Offizierswohnheim erbaut wurde, überzeugt als Museumsbau nicht wirklich. Die kleinen Säle, die dicken Wände wirken unproportioniert, die eigentlich gelungene Hängung erscheint merkwürdig statisch, als ob die Kunst eingekerkert wäre.

Blickachsen. Die Rotunde im Stüler-Bau mit einer Giacometti-Skulptur im Zentrum (oben). Die von Kuehn / Malvezzi entworfene Gangway zum Anbau.
Blickachsen. Die Rotunde im Stüler-Bau mit einer Giacometti-Skulptur im Zentrum (oben). Die von Kuehn / Malvezzi entworfene Gangway zum Anbau.

©  Kitty Kleist-Heinrich

Dabei ist Felicia Rappe, die neue Leiterin des Berggruen-Museums, intensiv darum bemüht, das Schmuckkästlein der klassischen Moderne zu öffnen, insbesondere für die Kunst der Gegenwart. Man kennt das aus anderen Museen. Die Klassiker sollen mit Zeitgenössischem aufgepeppt werden, damit sich das Besucherspektrum zwischen Bildungsbürgertum und Schulklassen weitet. Als Einstieg wurde die Berliner Komponistin Brigitte Witzenhause eingeladen. Nach Recherchen in Aix-en-Provence im Studio von Paul Cézanne, nach Aufnahmen in Haus und Garten, hat die Künstlerin eine Mehrkanal-Klanginstallation samt Videoprojektion entwickelt, bei der Texte des Malers gerappt werden, Zikaden zirpen, die Glocke von Saint-Sauveur läutet, der Verschluss der Olivenleiter immer wieder auf- und zuklickt. Ab 19. November kommt eine Ausstellung des US-Künstlers George Condo hinzu, zu dessen Spezialitäten es immer schon gehörte, sich auf die Kunstgeschichte zu beziehen. Insbesondere mit Picasso treibt er in seiner grotesken Malerei Schabernack.

Wie verhält sich das Museum zu den anderen Häusern der Stiftung?

Prompt stellt sich die Frage: Wie verhält sich das Museum Berggruen zu den anderen Häusern der Stiftung Preußischer Kulturbesitz? Was wird aus ihm, wenn einmal am Kulturforum das Museum der Moderne steht? Dort hinein würde die im Jahr 2000 vom Bund angekaufte, 165 Werke umfassende Sammlung des Kunsthändlers Heinz Berggruen eigentlich gehören, ebenso die rund siebzig Bilder, die von der Familie Berggruen auf Leihbasis dem Museum zur Verfügung gestellt wurden.

Aber auch in Zukunft bleibt die Sammlung Berggruen ein Solitär in Charlottenburg, in einem Sammlerhaus, dessen privater Charakter bewahrt werden soll. Bis zu seinem Tod 2007 besaß Heinz Berggruen im obersten Geschoss eine Wohnung. Die zufälligen Begegnungen mit ihm im Treppenhaus, beim Signieren in der Buchhandlung verschafften dem Ort ein besonderes Flair.

Gleichwohl wandern Leihgaben zwischen den Dependancen der Nationalgalerie hin und her. Gegenwärtig sind zwei Berggruen-Werke in der Ausstellung „Die schwarzen Jahre“ im Hamburger Bahnhof zu sehen. Umgekehrt hängt in Charlottenburg im Klee-Saal ein Gemälde des neusachlichen Malers Gottfried Brockmann, der 1931 ein Bild von Paul Klees Atelier in der Düsseldorfer Akademie schuf – mit Staffelei, Geigenkasten und Notenständer. Es stammt wiederum aus dem Bestand der Neuen Nationalgalerie.

Der Stiftung selbst fehlen die Mittel

Wie es mit den von der Familie Berggruen für den Anbau zur Verfügung gestellten Leihgaben weitergeht, ist noch offen. Das liegt in der Natur vieler Leihverträge, die zwischen öffentlicher Hand und privaten Sammlern geschlossen werden. Die Erweiterung des Berggruen-Museums wurde von der Stiftung nicht zuletzt in der Hoffnung vorangetrieben, irgendwann einmal als dauerhafte Bleibe für die Klee-Bilder festzustehen, die gegenwärtig acht Räume füllen. Der Stiftung selbst fehlen die Mitteln, solche Ankäufe zu tätigen, sie muss mit Sammlern kooperieren.

In den letzten drei Jahren wurde nur ein einziges Bild aus dem Konvolut der Dauerleihgaben von der Familie wieder abgezogen: Picassos „Bildnis Madame Patri“. Kein Grund zur Sorge also. 2017 lädt auch das International Council Museum Berggruen wieder zum Jahrestreffen nach Berlin ein, wie immer im Juni kurz vor der Art Basel, wenn die amerikanischen Mitglieder des Förderkreises, Sammler, Händler, Museumschefs, auf Einkaufstour in Europa sind.

Museum Berggruen, Schlossstr. 1, Tag der offenen Tür am 19. 6.; 11 – 18 Uhr. Di bis Fr 10 – 18 Uhr, Sa / So 11 – 18 Uhr.

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