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Mariana Castillo Deball.

© dpa

Berlin Biennale: Die Statue im Dorf lassen

Die aus Mexiko stammende Künstlerin Mariana Castillo Deball und die New Yorker Anthropologin Sandra Rozental zeigen auf der 8. Berlin Biennale Formen des Widerstands.

Handwerk und Handarbeit erleben derzeit ihre Wiederkehr in Kunst und Kultur, das Haptisch-Analoge ist angesagt. Zwei Beispiele liefern dafür auf der 8. Berlin Biennale eine Künstlerin und eine Wissenschaftlerin: die aus Mexiko stammende Künstlerin Mariana Castillo Deball, die ein neues Journal herausgibt, und die New Yorker Anthropologin Sandra Rozental mit ihrem heiteren Dokumentarfilm „The Absent Stone“ über eine antike Statue in Mexiko, den sie mit dem Filmemacher Jesse Lerner drehte.

Mexikanisches Altertum und dessen Rezeption: Das war das große Thema beim Biennale-Salon der Kunst-Werke, der inmitten der Installation „Crash Pad“ mit ihren ornamental gemusterten alten Teppichen stattfand. Trotz der stehenden Hitze im barocken Vorderhaus fesselte Sandra Rozentals Film die Besucher, unter ihnen Viola König, die Direktorin des Ethnologischen Museums, und zahlreiche Gäste des neuen Internationalen Biennale-Verbands, der sich dieser Tage in Berlin trifft.

„The Absent Stone“ erzählt davon, wie 1964 aus dem Städtchen Coatlinchan nahe Mexico City eine steinerne Gottesstatue in die Hauptstadt verfrachtet wurde: auf einem enormen Tieflader, unter Protesten der Bürger und Einsatz von Soldaten. Ein Fernsehspektakel, eine Staatsangelegenheit. Doch Rozental und Lerner führen keine Geschichte von David gegen Goliath vor. Sie collagieren vielmehr Erinnerungen von Zeitzeugen, alte Fernsehbilder, Kommentare von Wissenschaftlern und Aussagen heutiger Heimatforscher in Coatlinchan, die sich von Internet und Globalisierung erschöpft auf die Suche nach dem Erbe aus vorspanischer Zeit gemacht haben.

Die Zucht vergessener Pflanzen und ein Springbrunnen in Gestalt der Statue, die Bürger von Coatlinchan lieben das Haptisch-Handwerkliche und holen sich auf diese Weise Verlorenes zurück. Ebenso wie Rozental und Lerner, die prachtvolle Zeichentrickszenen mit analogen Schnippelfiguren immer dann einsetzen, wenn sie mal eben 2000 Jahre Kulturgeschichte zusammenfassen wollen. So wird aus der Rekonstruktion des Streits um eine Statue eine Reflexion über Hauptstadt und Provinz, Moderne und Antike, Museum und Originalschauplatz.

Preisträgerin der Nationalgalerie 2013

Mariana Castillo Deballs Journal „Ixiptla“ (auf Deutsch in etwa „Götterbild“) knüpft daran mit einem Beitrag von Rozental über Coatlinchan an. Auf den 180 Seiten von „Ixiptla“, herausgegeben im Berliner Verlag Bom Dia Boa Tarde Boa Noite, verhandeln zwölf Wissenschaftler und Künstler aus Lateinamerika und Europa die Präsentation altmexikanischer Artefakte in Museen und anderen Kulturspeichern. Eine zweite Ausgabe des Journals plant die in Berlin lebende Künstlerin für September. Sie erscheint dann zeitgleich mit ihrer Ausstellung im Hamburger Bahnhof als Preisträgerin der Nationalgalerie 2013. Bis dahin muss die Lektüre der Startnummer entschädigen, denn in der Hitze des Biennale-Salons wurde Deballs Journal nicht mehr diskutiert – und auch die Debatte um Ethnologische Museen entfiel. Ob eine vorkoloniale Statue besser im Dorfe bleibt oder in der Hauptstadt postkoloniale Identität stiften soll, blieb somit an diesem Abend ungeklärt.

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