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Fortsetzung folgt. Alfred Döblin war der Berühmteste in der Krimi-Runde.

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Berlin-Bücher: Das Luder muss dran glauben

Wiederentdeckt: ein Berlin-Krimi in zehn Folgen von Alfred Döblin, Gabriele Tergit & Co.

Am 12. März 1932 erschoss sich der schwedische Zündholzkönig Ivar Kreuger in seinem Pariser Apartment, offenbar wollte er dem Zusammenbruch seines Imperiums zuvorkommen. Bald aber entspannen sich um seinen Tod – früher Vorläufer der Barschel-Affäre – wilde Mord- und Verschwörungstheorien, die Alfred Döblin in seiner wenige Wochen danach entstandenen Episode des Fortsetzungskrimis „Die verschlossene Tür“ auf die Spitze trieb: „Ich sage Ihnen, Kreuger, Ivar Kreuger, lebt.“

Was dies mit der Mordgeschichte um ein lockeres, in einer Grunewald-Villa gemeucheltes Frauenzimmer zu tun hat? Nicht das Geringste, und gerade deswegen ist der kleine Schlenker typisch für diesen jetzt wiederentdeckten Kriminalroman aus der Endphase der Weimarer Republik. Acht Autoren, darunter die Gerichtsreporterin und Schriftstellerin Gabriele Tergit und der seit „Berlin Alexanderplatz“ gefeierte Döblin, hatten die von dem literarisch aktiven Kriminalreporter Frank Arnau angestoßene Geschichte weitergesponnen. Es war ein auf zehn Folgen angelegtes Projekt der Berliner Zeitschrift „Die Literarische Welt“ im Frühsommer 1932 und sollte die sich lockernde Bindung der Leser an das kränkelnde Blatt wieder festigen.

Kriminalromane galten damals nicht viel, aber gewisse Regeln und Lesererwartungen gab es schon, um die sich die acht Autoren freilich nur wenig scherten. Ja, einige haben es offenkundig bewusst darauf angelegt, den ihnen folgenden Kollegen durch überraschende, teilweise absurde Wendungen das Weiterschreiben möglichst schwer zu machen. Spuren werden gelegt und wieder fallengelassen oder gar auf banale Weise vom Tisch gewischt. Mehr noch, Edlef Köppen zieht in seiner Episode, der nach dem Döblin’schen Kapitel zweifellos spaßigsten, sogar sich selbst und seine Mitautoren in die Geschichte hinein – eine Art doppelter Salto in die Parodie der Parodie. Als Mörder erweist sich da zuletzt logischerweise genau die Figur, die nach den Gesetzen der Logik am wenigsten zu erwarten gewesen wäre.

Doch bei aller – höchst vergnüglich zu lesenden – Juxerei wird doch beiläufig manches Zeittypische in die Geschichte eingewoben, Anspielungen wie die auf den Selbstmord des Zündholzfabrikanten, die der heutige Leser vielleicht nicht mehr versteht. Da muss dann eben das die Hintergründe des Romans sehr informativ erläuternde Nachwort von Herausgeber Erhard Schütz weiterhelfen.

Die „Meistersinger“-Aufführung in der Staatsoper unter Generalmusikdirektor Leo Blech jedenfalls, mit der die Geschichte beginnt, hat es tatsächlich gegeben. Aber es war sicher eine erfundene kleine Boshaftigkeit Frank Arnaus, dass er Adolf Hitler, anders als Hans Albers, Max Schmeling oder Reichskanzler Brüning, nicht unters Publikum Unter den Linden mischte, sondern eine Vorstellung des Wintergartens in der Friedrichstraße besuchen ließ. Der Wagner-Verehrer labt sich statt an Arien an Couplets? Im Jahr 1932 könnte man darüber noch lachen.

A. Döblin, G. Tergit, R. Huelsenbeck, F. Arnau, M. Hausmann, E. Ebermayer, E. Köppen, K. Heuser: Die verschlossene Tür. Kriminalrat Koppens seltsamster Fall. Verlag für Berlin-Brandenburg. 104 S., 14,99 Euro

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