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Bloß keine Industrieware! Fred Jacob von der „Korb & Rattan Manufaktur“.

© Ulla C. Binder

Berlin-Bücher: Handwerk hat goldenen Boden

Alles handgemacht: Ein Buch führt durch das weite Feld des Berliner Manufakturenwesens.

Der Berliner gibt zu allem gern seinen Senf dazu, klar, das weiß doch jeder. Wie groß die Bandbreite dessen ist, was er dazugibt, das erschließt sich dem geneigten Beobachter freilich erst so nach und nach: Mal ist es „Kumpel-Senf mit Lakritz“, mal „Arabischer Senf mit Mokka“, es kann aber auch schon mal schlichter „Zarensenf“ sein. Gibt’s alles im Senf-Salon in der Hagelberger Straße.

Die Stadt ist voller verborgener Reichtümer, doch nun ist es leichter geworden, sie zu finden. Das Buch „Manufakturen. Handgemachtes aus Berlin“ von Ulla C. Binder weist den Weg zum Beispiel auch in eine „der besten Pralinen- und Trüffelmanufakturen Deutschlands“, nämlich zu Sawade. In den Anfängen des Unternehmens, Ende des 19. Jahrhunderts, galt es noch als schick, Hoflieferant zu sein. Seine Blütezeit erreichte es nach dem Zweiten Weltkrieg, 2013 wurde es aus der Insolvenz gerettet, inklusive Besinnung auf das Markenpotenzial – man erfährt so manches Interessante zur Berliner Schokoladenkultur. Adressen und Öffnungszeiten von Werkverkauf und Fachgeschäften sind ebenfalls enthalten.

Heiß auf Eis. Angelika Kaswalder vom Eiscafé „Cuore Di Vetro“
Heiß auf Eis. Angelika Kaswalder vom Eiscafé „Cuore Di Vetro“

© Ulla C. Binder

Die Bonbonmacherei in der Oranienburger Straße kennen viele Passanten. Aber wer weiß schon, bei welcher Temperatur die Berliner Maiblätter entstehen und wann genau sie ihr Waldmeisteraroma bekommen. Es geht hier natürlich keinesfalls nur um Kulinarisches. Präsentiert wird Bandbreite in jeder Hinsicht. Dazu zählt auch die Miniaturorgel, die es schon ins Guiness-Buch der Rekorde geschafft hat und die aus Andreas Hermerts Werkstatt in Friedenau stammt. Neuberliner und Hesse-Fans könnten mit der Glasperlentapete aus der „Manufaktur für Wandunikate“ anbändeln. Wer brüchige alte Bücher sein eigen nennt, findet mit der „Buchbinderei“ eine bedenkenswerte Alternative zu Tolini und Co. Und wer gleich lieber selber schreibt, kann sich hier darüber informieren, was es bei „I like Paper“ alles so gibt.

Hutdesignerin Fiona Bennett
Hutdesignerin Fiona Bennett

© Ulla C. Binder

Das Buch ist wie eine Window-Shoppingtour zu den ganz besonderen Berlinensien, nur dass man nicht laufen muss, sondern auf dem heimischen Sofa gemütlich blätternd schauen kann, was einen wirklich interessiert, – und dann zielgerichtet hinfahren.

Wer noch nicht weiß, was „Upcyclingprodukte“ sind, sollte Vorsicht walten lassen. Der Kronleuchter aus Zivilisationstrash ist nämlich abgebildet, man könnte sich in so was ja auch unwillentlich verlieben. Ökologisches Zubehör für den grünen Hund gibt es übrigens auch, der geht nur noch an der Leine aus Biogarn Gassi, um den Asphalt ökomäßig korrekt zu düngen.

Aus der ehemaligen Städtischen Bildungsanstalt wurde 1998 „Die Imaginäre Manufaktur“. Ein paar der hier entstandenen Design-Stücke schafften es sogar bis ins MoMA nach New York. Wer fündig wird unter Bürsten, Spielzeug, Schmuckschatullen, braucht sich vom heimischen Sofa gar nicht erst wegzubewegen. Man kann auch online einkaufen.

Die Kaffeeröster von „Five Elephant“.
Die Kaffeeröster von „Five Elephant“.

© Ulla C- Binder

Mode, klar, das ist sowieso ein großes Thema, da werden viele ihre eigenen Geheimtipps haben und das Buch durch handschriftliche Notizen ergänzen können. Aber wo’s die Maisoap gibt, die handgerührte Sonnenseife oder die „Berlin Bubble“, wissen nicht mal alle Besucher des Marktes am Maybachufer, obwohl es da gerade lohnt, verschärft Ausschau zu halten. Sowieso muss nicht alles frisch vom Catwalk kommen, was der Berliner am Körper trägt. Die Maßschuhmacherei Hennemann & Braun oder Jünemann’s Pantoffeleck sind auch interessante Quellen.

Ein schönes Blätterbuch für den Wohnzimmertisch und ein Nachschlagewerk für alle, die Berlin lieben und in immer neuen Facetten kennenlernen wollen. Im Vorwort erklärt Fabian Rueger, warum Belyziums Schokolade als berlinisch gelten darf, obwohl von einem russischstämmigen, kalifornischen Physiker im brasilianischen Belize erfunden. Und die Autorin hat ihre Designkenntnisse im Schwabenland erlernt. Berlinischer geht’s ja kaum.

Ulla C. Binder: Manufakturen. Handgemachtes aus Berlin. Nicolai-Verlag, Berlin. 208 Seiten, 90 Abbildungen, 19,95 Euro

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