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Kultur: Berlin lebt von Kultur allein

Senator Flierl stellt sein Perspektiven-Papier vor

Kulturpolitik in Berlin hat oft den Charme und Schrecken eines Déjàvu. Selbst das geneigte Publikum scheint nach all den länglichen Opernstiftungs- und Finanz-Debatten ermüdet. Am Freitag hat nun – mit einiger Verzögerung – Kultursenator Thomas Flierl sein opus magnum vorgelegt – „Berlin: Perspektiven durch Kultur“. Im Untertitel nennt sich das 38-seitige, eng bedruckte Papier „Kulturpolitische Positionen und Handlungsorientierungen zu einer Berliner Agenda 21 für Kultur“. Und man erinnert sich: Flierls Vorgängern Stölzl und Goehler war die Amtszeit nicht vergönnt, sich derart grundsätzlich zu verschriftlichen, und der letzte legendäre (und eher folgenlose) Entwurf zur Lage der Berliner Kulturnation war noch in den Neunzigerjahren Radunskis „Kreise-Papier.“

Perspektiven durch Kultur. Das ist mehr als Ideen für die Kultur. Flierl sucht „Voraussetzungen und Grundlagen für ein kulturell fundiertes Politikkonzept der Stadt zu schaffen“. Da Kunst und Wisenschaft Berlins einzige ernstzunehmenden und erneuerbaren Ressourcen sind, läuft es auf die Forderung hinaus, alle Berliner Politik müsse in gewisser Weise Kulturpolitik sein. „Jeder öffentliche Politikbereich“, sagt Flierl, „hat eine kulturelle Dimension.“ Über einen solchen radikalen und keineswegs unrealistischen Ansatz lässt sich in Zukunft gut streiten – im Abgeordnetenhaus, aber auch im rot-roten Senat, wo Flierl gegen die ersten Mauern laufen dürfte.

Flierl erklärt: „Das neue Berlin kann vom alten Berlin und seinen Illusionen nichts mehr erhoffen“, und das gilt wohl für Ost wie für West. Die grundsätzliche Debatte „über die kulturpolitische Aufgabenteilung zwischen dem Bund, dem Land Berlin (zukünftig einem Land Berlin-Brandenburg) und der Hauptstadt Berlin (mit ihren zwölf großstadtgroßen Bezirken)“, so Flierl, sei nicht wirklich zu Ende geführt.

Alles nicht ganz neu, wie auch. Aber Flierls Grundton, der zwischen Pragmatismus und Vision abwägt, könnte der richtige und angemessene sein für die nächsten Jahre. Er verbreitet gebremsten Optimismus. Sein Schlagwort „Entstaatlichung“, was nicht Privatisierung, sondern schlankere Organisationsformen meint, klingt auch nicht unvernünftig. So schlägt er im einzelnen eine „Berliner Kulturstiftung“ und ein „Kulturbüro“ vor, die sich um die Vergabe von Fördermitteln und die Vernetzung freier Projekte kümmern sollen. Die städtischen Museen seien stärker zu profilieren. Die Zahl der Berliner Konzertorchester sieht Flierl künftig bei nur noch drei. Dennoch: Flierls „Perspektiven“ lesen sich nicht wie ein kaschiertes Sparpapier. Und so werden die einen Flierls Pragmatismus attackieren, die anderen den von ihm konstatierten Vorrang der Kultur. Die Diskussion ist eröffnet. R. S.

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