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Kultur: Berlin Tanztage: Anleitung vergessen

Alles bleibt in Bewegung. Die Tanztage, mit denen der Pfefferberg traditionell den Start ins neue Jahr begeht, sind zum beliebten Forum für den choreographischen Nachwuchs avanciert.

Von Sandra Luzina

Alles bleibt in Bewegung. Die Tanztage, mit denen der Pfefferberg traditionell den Start ins neue Jahr begeht, sind zum beliebten Forum für den choreographischen Nachwuchs avanciert. Das Festival, das mittlerweile in die zehnte Runde geht, ist diesmal vorübergehend umgezogen. In den Sophiensälen fand die Organisatorin Barbara Friedrichs nicht nur eine attraktives Ausweichquartier, sondern in deren Betreibern auch einen Kooperationspartner.

Mit einem Neujahrs-Umzug, angeführt vom New Yorker Klangkünstler Phil Kline, wurde das neue Domizil begrüßt. Und der Publikumsandrang ist auch am neuen Spielort gewaltig. Barbara Friedrichs hat diesmal ein kompaktes Programm zusammengestellt. Neben bewährten Kräften stellen sich vor allem junge Choreographen vor, die neu in Berlin sind.

Der Auftakt fiel freilich etwas gedämpft aus. Dabei schien "Move" von Tamara Tossey doch das passende Stück zur neuen Situation. "To move" meint allgemein "sich bewegen", aber auch "die Wohnung wechseln". Die beiden Tänzer John Taylor und Serguei Losovoi bewegen sich mit dem robusten Charme von Möbelpackern. Und ihre Körper wirken schon mal wie sperrige Möbelstücke. Sie verschränken und verhaken sich auf widerborstige Weise, zwei Teilstücke, die nicht zueinander passen wollen. Mit sichtbarer Anstrengung faltet, klappt und presst Taylor seine Glieder zusammen, verschraubt und fixiert sich zu einem völlig verdrehten und deformierten Gebilde. Vor allem aber wird geschleppt. Wie bewege ich einen Körper durch den Raum? So scheint die zentrale Aufgabe zu lauten. Hier weden besonders umständliche und ungeschickte Methoden vorgeführt, wie einer des anderen Last trage. Dem Thema des verdinglichten Körpers wird nur eine begrenzte Komik abgewonnen. Beim Montieren und Zusammenschrauben des Stückes muss Tamara Tossey wohl die Bedienungsanleitung abhanden gekommen sein.

Gerhard Maass nennt sein Solo - angelehnt an ein Lied von Rio Reiser - "König. Deutschland". "Dr. Helmut Kohl" wird im Programmheft für die Inspiration gedankt. Mit hochgereckten Armen wid eine typische Siegerpose zitiert. Doch der Versuch, Politik zum Tanzen zu bringen und die Physiognomie der Macht zu veranschaulichen, misslingt gründlich.

Jonna Huttunen ist regelmäßig zu Gast bei den Tanztagen. Die finnische Choreographin, die an der Hochschule Ernst Busch studierte, ist seit 1999 künstlerische Leiterin des Leipziger Tanztheaters. "Having bitten on life like a sharp apple" nennt sie ihr Solo für die Tänzerin Sibylle Uttikal. Hier manifestiert sich kein ungebremster Bewegungsdrang. Innehalten, in sich hineinlauschen - das reflexive Moment steht diesmal im Vordergrund. Minimale Gesten werden durch Wiederholung mit Bedeutsamkeit aufgeladen. Eine Hand wird aufgestützt und rutscht weg. Ein vorübergehender Verlust von Kontrolle. Eine schwungvoll-aggressive Armbewegung wird angehalten. Man sieht einer Frau zu, die sich in ihren Impulsen stoppt, sich ständig zurücknimmt. Und unvermittelt die Bühne verlässt. Die Songs von Laurie Anderson und P.J. Harvey erzählen vom Leben als Frau, von ersten Versuchen. Jonna Huttunen aber gelingt es nicht, uns diese Figur näherzubringen. Die Frau bleibt fremd wie ein Alien.

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