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Packen für Audi. Eine der Heldinnen aus Jonas Heldts Dokumentation "Automotive".

© Jonas Heldt

Berlinale 2020: Perspektive Deutsches Kino: Mütter, Töchter, Wildsäue

Bühne frei für den Filmnachwuchs: Die Perspektive Deutsches Kino zeigt Abenteuer und Alltag des Frauenlebens - ein erster Überblick.

Klar kommen auch Männer und Männergeschichten vor. Die entstammen dann häufig abgehängten Milieus, wie in dem Boxerdrama und Vaterfilm Kids Run, der die „Perspektive Deutsches Kino“ eröffnet, und in der Dokumentation Garagenvolk über den pittoresken Hobbyraum russischer Männer.

Oder sie kommen aus unterkühlten Familienbanden wie in der Dreiecksgeschichte Ein Fisch, der auf dem Rücken schwimmt.

Debütanten erzählen endlich beiläufig aus Frauenperspektive

Aber sonst dreht sich in der „Perspektive“ deutlich der Wind. Endlich erzählt der Nachwuchs ganz selbstverständlich Frauengeschichten. Nicht programmatisch wie in der Biopic-Welle, weder aufgesetzt noch idealisierend, sondern völlig selbstverständlich.

Alltag und Abenteuer liegen dicht beieinander. Heldinnen sind Mütter, Töchter, Schwestern, Lageristinnen oder Politikerinnen wie Sahra Wagenknecht in der ihr gewidmeten Dokumentation. Sechs der auf acht Filme gestrafften Reihe stammen von Regisseurinnen.

Die Konzentration tut der 2002 von Dieter Kosslick begründeten und nun von Carlo Chatrian beibehaltenen Sektion gut. Die Qualität der Debüts ist gestiegen. Und dass Leiterin Linda Söffker es geschafft hat, erstmals das Kino International als Premierenspielstätte nutzen zu dürfen, stärkt das Profil der „Perspektive“ als Bühne einheimischer Newcomer.

Die Regisseurin hat vorher Drehbücher geschrieben

Dass die nicht immer neu im Geschäft sein müssen, belegt das bewegende Familiendrama Im Feuer. Regisseurin Daphne Charizani erzählt von einer kurdischstämmigen Bundeswehrsoldatin. Sie sucht nach ihrer Schwester, die auf Seiten der Peschmerga gegen den IS kämpft. Bisher hat Charizani meist als Drehbuchautorin gearbeitet, zum Beispiel bei „Das Vorspiel“, der gerade im Kino läuft.

Von Familienbanden erzählen auch der Dokumentarfilm Walchensee forever, in dem der von Bodenständigkeit und Ortstreue geprägte Lebensweg einer bayerischen Wirtin (der Großmutter der Filmemacherin) der flippigen Hippie-Vita ihrer Tochter gegenübersteht, die zum „Harem“ von Rainer Langhans gehörte.

Heimat schafft Identifikation, die allzu leicht zerbröselt

So wie dort der Walchensee zum Symbol für die identitätsstiftende Kraft von Heimat wird, so leicht zerbröselt der romantisierte Bezug zu einem Ort oder einem Arbeitgeber im Spielfilm Schlaf und der Doku Automotive.

Letztere schneidet die Leben zweier junger Frauen gegeneinander, die als Logistik-Leiharbeiterin und Headhunterin für einen Autohersteller in Ingolstadt arbeiten. Ersterer erzählt im Gewand eines Psycho-Horrorfilms von politischen Abgründen. Bloß gut, dass Mutter und Tochter im dunklen Tann’ des Harzes Verbündete gegen die Wildsäue sind.

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