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Orang_Utan

© Berlinale

Berlinale: Affenscharf, bärenstark, cinephil

Was von der Berlinale übrig bleibt: Das Festival von A bis Z.

A

wie Altas, Bora. Der achtjährige Hauptdarsteller aus dem Goldbären-Film „Bal“ bringt zur Pressekonferenz den Teddy mit, den Dieter Kosslick ihm geschenkt hat. Er sagt nicht viel, nur: „In Wirklichkeit stottere ich nicht.“

B wie „Buddha Jumps over the Wall“. Das beste Essen des Festivals: die Himmel-und-Erde-Suppe im chinesischen Eröffnungsfilm „Tuan Yuan“. Mit Fleisch, Geflügel und Fisch, also mit etwas, das kreucht, fleucht, schwimmt. Nach dem Verzehr werden die drei Alten im Film superlustig. Bitte das Rezept oder: Suppenküche für alle!

C wie Cvitesic, Zrinka. Shooting Star, Hauptdarstellerin in „Na Putu“, trägt das atemberaubendste Abendkleid der Berlinale (siehe S. 29!). Und wirft bei der Gala-Premiere ihren Blumenstrauß ins Publikum. Alle, die auf der Bühne stehen, tun es ihr nach. Ein Blumenregen.

D wie Dobermann, Herzensdame des Protagonisten in der Schockdoku „Geliebt“ (Männer lieben Hunde) – intelligent, verspielt, und absolut treu. Einziger Nachteil: Wird den Schwiegereltern keine Enkel gebären. Gegenüberstellung deshalb vorerst nicht geplant.

E wie Eispickel. Eine Woche dauert es, bis das Eis vor dem Hyatt und dem Cinemaxx endlich weggehämmert und -gepickelt wird. Beifall der Umstehenden! Bis dahin gab es Stürze und Knochenbrüche bei den Gästen aus aller Welt. Nicht gut für das Ansehen Deutschlands im Ausland! Zumal McDonald’s schräg gegenüber gleich am ersten Tag ein Stück Gehweg bis auf die Platte putzte. Geht doch!

F wie Forellenfleisch. Die originellste Mordwaffe des Festivals, weil radioaktiv verstrahlt. Im russischen Beitrag „How I Ended this Summer“.

G wie Gays against Guido. Das steht auf den Stickern, die Rosa von Praunheim mit vollen Händen ins Publikum wirft, bei der Premiere seines Panorama-Films „New York Memories“. Kommentar: „He’s not gay, he’s homosexual.“ Die Sticker sind jetzt Kult.

H wie Holighaus, Alfred. Hört als Chef der „Perspektive Deutsches Kino“ auf und wechselt in den Vorstand des FC Schalke 04. Zumindest ist das sein Traum – so inbrünstig, wie er bei jeder Film-Präsentation von seinem Lieblingsverein schwärmte. Wahlweise kann er ja seinen neuen Arbeitsplatz, die Deutsche Filmakademie, in ein Fußballfeld verwandeln.

I wie igittigitt. Forellen ausnehmen. Schweinehälften zerteilen. Eichhörnchen häuten. Mengenweise Ekelszenen in diesem Jahr: Guten Appetit!

J wie Jubel. Doris Dörries „Friseuse“ im Friedrichstadtpalast ist der Emo-Höhepunkt des Festivals. Szenen-Applaus, Tränen, Jubel schon nach wenigen Minuten.

K wie Krähen. Sitzen seit Jahren in Scharen auf den Bäumen der Alten Potsdamer Straße und sorgen für Hitchcock-Feeling , wenn sie in den Abendstunden mit kollektivem Kreischen in den Berlinale-Rummel einstimmen. Dieses Jahr fehlten sie. Kälteschock?

L wie Live. Roter Teppich vor dem Berlinale-Palast: Stars live ab nachmittags um drei. Und abends sorgt die Disco-Kugel vor der Glasfassade für Glitzer und Glamour.

M wie magic moment. Den erlebt Berlinale-Chef Kosslick, als er bei minus zehn Grad vor dem Brandenburger Tor mit Hunderten den arktischen Temperaturen trotzenden Stummfilm-Fans die Übertragung der „Metropolis“-Gala aus dem Friedrichstadtpalast guckt. Wenn Kosslick magic sagt, klingt es allerdings wie matschig. Passt auch, vor allem jetzt, zum Tauwetter am Publikumstag. Wobei Hans Petter Moland, Regisseur des norwegischen Wettbewerbsfilms „A Somewhat Gentle Man“, betonte, dass Berlin ihm wie ein Tropical Island vorkommt, im Vergleich zu den Temperaturen in seinem Heimatland.

N wie Nénette. Affenscharf, die Orang-Utan-Dame in Nicolas Philiberts gleichnamigem Forums-Film. Beste Darstellerin 2010.

O wie Oma. Einen Bär fürs Granteln bekommt die Großmutter in Nicole Holofceners Tragikomödie „Please Give“. Mit welcher Verachtung sie das rosa Nachthemd entgegennimmt, das Geburtstagsgeschenk ihrer Enkelinnen! Sie könne es ja für besondere Gelegenheiten aufheben, lenkt sie pampig ein. Weitere tolle Omas: Die schlecht gelaunte in „Otouto“, die realistische in „Alle meine Väter“, die resolut antifundamenlistische in „Na Putu“. Die Babuschka von Grigori Dobrygin muss auch klasse sein. Der Schauspieler aus „How I Ended This Summer“ bedankt sich bei ihr, als er seinen Silberbären entgegennimmt.

P wie Phò. Die irdische Alternative zur himmlischen „Buddha jumps over the Wall“-Suppe (siehe B). Diese vietnamesische Suppe gibt’s im Untergeschoss der Arkaden beim Asia Gourmet. Schafft man schnell – es sei denn, die Schlange ist so lang wie vor den Berlinale-Kassen.

Q wie Qurbani, Burhan. Dem Kollegen Hanich kam er bekannt vor. Tatsächlich: Der Regisseur des deutschen Wettbewerbsfilms „Shahada“ jobbt in der Filmgalerie 451, der Videothek in der Torstraße. Tarantino hat auch so angefangen.

R wie Ravensburger Puzzle. Spielen eine große Rolle in „Rompecabezas“. Wer hätte gedacht, dass der Verlag so viele Puzzles nach Argentinien exportiert! Gérard Depardieu bekommt auch eins geschenkt, als er in „Mammuth“ in Rente geht. Mit 2000 Teilen! Er zählt aber lieber vorbeifahrende Autos.

S wie Schwulenpornos. Schauen sich Julianne Moore und Annette Bening in „The Kids Are All Right“ an. Und erklären den Kindern dann beim Abendessen, warum. Sex macht Spaß, ist aber auch ganz schön kompliziert.

T wie Tilda Swinton. Die Queen, jedes Jahr wieder. Sie kommt, sieht und bleibt.

U wie Umhängetaschen, an denen sich die Geister scheiden. Ob in S-Bahnen, Coffeeshops, Notaufnahmen – nirgendwo kann man den lila-grünen Berlinale-Taschen entkommen. Design war dieses Jahr extrem umstritten.

V wie Väter. Das große Thema der Berlinale 2010. Die nettesten Väter sind die von Jan Raiber, drei an der Zahl. Die Nachricht, dass sie Vater sind oder doch nicht, nehmen sie mit erstaunlicher Fassung auf. Und werden nach „Alle meine Väter“ im übervollen Cinemaxx 9 mit Standing Ovations gefeiert.

W wie Wald. „Shutter Island“, „Der Räuber“, „Zeit des Zorns“, „Der Tag des Spatzen“, „Putty Hill“, „Winter’s Bone“, der Kurzfilm „Aramaki“: Ständig irren bewaffnete Männer durch den Wald, ballern wild um sich, leiden unter Ladehemmung oder tun andere gefährliche Dinge. Mann in der Krise: der Kinoheld 2010? Oder sieht hier jemand vor lauter Wäldern den Baum nicht mehr?

X wie X-Rated. Wäre etwa beim sexperimentellen Berlin-Film „Bedways“ in der Perspektive angebracht – oder bei „Caterpillar“ mit seinem Krüppel-Kamasutra im Wettbewerb. Auch vor dem entfesselten Tobias Moretti in Roehlers „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ sollte man Kinder vielleicht schützen.

Y wie Yu Nan. Die schöne chinesische Aktrice in der Jury. Kann man sich nicht merken? Ja nun! So einfach geht das, schlug Anke Engelke bei der Eröffnung vor.

Z wie Zimmerspringbrunnen. Man hat ständig Durst, seit es kein Umsonst-Mineralwasser mit Fruchtgeschmäckern mehr gibt. Ein Film der Perspektive Deutsches Kino beginnt mit einem gigantischen Zimmerspringbrunnen. Durst!!! Titel: „Porträts deutscher Alkoholiker“. chp/juh/mch/til

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