zum Hauptinhalt
Auf der Berlinale unterwegs: Harald Martenstein.

© Thilo Rückeis

Berlinale-Kolumne: Martenstein - die erste

Klaus Lemke ist 71 und lebt in einer Münchner Einzimmerwohnung. Er macht, etwa seit dem Koreakrieg, fast jedes Jahr ein oder zwei Filme, ohne Filmförderung, ohne Drehbuch, ohne Profi-Schauspieler, voll im Anarchostil.

Lemke ist, zusammen mit Lothar Lambert und Rudolf Thome, einer der letzten echten Autorenfilmer, und definitiv einer der letzten Cowboys. Früher waren seine Filme sogar erfolgreich. Er hat, so heißt es, Iris Berben, Cleo Kretschmer und Wolfgang Fierek fürs Kino entdeckt. Jetzt aber hat der alte Lemke das Gleiche getan wie sein Kollege Helmut Dietl, er hat einen Berlin-Film aus Münchner Sicht gedreht. „Berlin für Helden“. Die Berlinale, genauer: das Panorama, hat den Berlin-Film abgelehnt. Lemke ist so was von sauer.

Vor Festivalbeginn wurde „Berlin für Helden“ im Soho-House gezeigt, für ein paar Journalisten. Fest steht, dass bei der Berlinale schon schlechtere Filme als dieser im Programm waren. Das heißt natürlich nicht viel. Man sieht junge Menschen, die nach Berlin kommen, um dort nach Geld und nach Sex zu suchen, vor allem Letzteres wird auch mehrfach gefunden. Vom Körper seiner Darstellerin Saralisa Volm war Lemke stark beeindruckt, sie darf fast immer oben herum nur einen BH tragen, auch in gesellschaftlichen Situationen, in denen dies unüblich ist. Wenn sie Lust auf Sex hat, sagt sie: „Ich hätte jetzt gerne ein bisschen Traffic.“ Berlin aber sieht in „Berlin für Helden“ aus wie das Schwabing von 1966. Bohème, wohin man schaut. Ja, vielleicht ist Berlin heute so, wie München mal war. Damit hat Lemke, offenbar anders als Dietl, immerhin eine Art Idee von Berlin.

Der letzte Autorenfilmer hat also ausgerechnet in Berlin den letzten SchwabingFilm gemacht, mit ekligen, großmäuligen Männern, die Sonnenbrillen und dämliche Hüte tragen, und masochistischen Frauen. Früher nannte man solche Frauen „Miezen“. Je ekliger ein Typ ist, desto mehr fahren sie auf ihn ab. Die Laiendarsteller sind von sehr unterschiedlichem Begabungsgrad. Dass es keine Dramaturgie gibt und keine richtige Geschichte, ist bei so einem Projekt Ehrensache.

In einem Satz: „Berlin für Helden“ sieht aus wie die Undergroundversion von „Zur Sache, Schätzchen“. Der Film ist nicht gut, aber sehr persönlich, er hat eine gewisse Power. Hat gestern, bei der Eröffnung der Berlinale, der Regisseur Klaus Lemke dem Festivalchef Dieter Kosslick seinen nackten Hintern gezeigt? Aus Protest? Vor allen Leuten? Klaus Lemke hatte es im Vorfeld des Ereignisses angekündigt. Ich kann es, jetzt, wo ich dies schreibe, noch nicht wissen. Aber ich fände es richtig. Ein Quantum Underground kann der Berlinale nicht schaden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false