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Sinnliche Jugend. Der Kurzfilm „Onde o Verão Vai (episódios da juventude)“ von David Pinheiro Vicente.

© Berlinale

Berlinale Shorts: In der Hitze des Sommers

Die Berlinale Shorts erzählen von realer und animierter Gewalt. 22 Filme aus 18 Ländern konkurrieren um die Kurzfilm-Bären.

Es ist dieser eine Satz in dem Film „Circle“, der noch lange nachhallt: „That’s just how it is./So ist das nun mal.“ Gemeint sind damit wiederholte Schläge, Vergewaltigung, Erniedrigung innerhalb der Familie. Grauenhafte Rituale, die im heutigen Indien immer noch von Generation zu Generation weitergegeben werden. Ein Ausbruch scheint nicht möglich. Der Kurzfilm von Jayisha Patel erzählt davon ruhig, eher sachlich und vereint damit in seinen 14 Minuten die zwei großen Themenkomplexe der diesjährigen Berlinale Shorts: Gewalt und Einsamkeit.

22 Filme aus 18 Ländern konkurrieren um eine Nominierung für den Europäischen Filmpreis, den mit 20 000 Euro dotierten Audi Short Film Award und natürlich die Kurzfilm-Bären. Nicht alle Filme formulieren ihre Botschaft so klar wie „Circle“, doch das bringt das Format des Kurzfilms mit sich. In kaum einem anderen Genre experimentieren die Filmemacher so wild wie hier, und das häufig mit ganz einfachen Mitteln.

So etwa in dem philippinischen „Babylon“ von Keith Deligero. Eine verrückte und höchst brutale Zeitreisegeschichte, in der ständig – und nicht immer aus ersichtlichen Gründen – geschossen wird. Die simplen Trickeffekte erinnern dabei stark an Comics. Dass simpel nicht immer seicht bedeutet, zeigt hingegen „The Men Behind the Wall“ aus Israel. Regisseurin Ines Moldavsky gibt darin ihre Konversationen auf der Dating-App Tinder wider, worin nicht nur Geschlecherbilder, sondern auch politische Fragen diskutiert werden. Im deutschen Animationsfilm „Blau“ von David Jansen wird es dann gesellschaftskritisch: Eine Walkuh wird getötet, ihr Kalb bleibt alleine zurück. Seine Reise wird in traurigen Bildern und starken Farben erzählt. Vor allem das rote die Leinwand flutende Blut bleibt lange im Gedächtnis und holt den Zuschauer in „Coyote“ wieder ein. In dem Schweizer Animationsfilm von Lorenz Wunderle wird die Familie eines Coyoten von Wölfen niedergemetzelt. Es fliegen Eingeweide und Köpfe, das Blut fließt.

Kreislauf von Gewalt

Wesentlich entspannter und vorsichtig sinnlich kommt hingegen der portugiesische „Onde o Verão Vai (episódios da juventude)“ daher. Darin erzählt Davis Pinheiro Vicente in vier Kapiteln von einer Gruppe Jugendlicher, die sich in der Hitze des Sommers einander annähern. Auch der Protagonist in Samuel Ishimwes „Imfura“ muss sich annähern. An die Vergangenheit seiner Mutter und an einen heutigen Streit der Familie. Dabei bleibt er ähnlich allein wie Russa in dem gleichnamigen Film von João Salaviza und Ricardo Alves Jr. Nach einem Gefängnisaufenthalt kehrt sie in ihre Heimat zurück und findet ihr Haus verschlossen vor. Andere Häuser stehen gar nicht mehr. Sie sieht sich mit einem Wandel konfrontiert, den sie nur am Fernsehbildschirm miterleben konnte. Einem Wandel, dem sie sich nicht gewachsen fühlt. In dem nigerianischen „Besida“ von Chuko Esiri, der außer Konkurrenz läuft, wünscht man sich hingegen einen Wandel. Ähnlich wie in „Circle“ sind die Protagonisten hier in einem Kreislauf von Gewalt gefangen, aus dem sie nicht herauskommen.

Sarah Kugler

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