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Ungleiches Paar: Jiří Menzel und Peter Simonischek in "The Interpreter".

© Titanic, InFilm, Coop 99 / Barbara Jancarova

Berlinale Special „The Interpreter“: Täter, Opfer und zwei alte Kinder

Wenn der Sohn der Opfer auf den Sohn der Täter trifft: „The Interpreter“ mit Jiří Menzel und Peter Simonischek im Berlinale Special.

Ein alter Mann in grauem Anzug und Krawatte fährt mit einer Pistole in der Aktentasche von Bratislava nach Wien, klingelt an einer recht herrschaftlichen Altbauwohnung, und als ihm der nur wenig jüngere Besitzer öffnet, fragt der mit slowakischem Akzent Deutsch sprechende alte Herr nach dem SS-Offizier Dr. Graubner. Der andere wirkt kaum überrascht und antwortet, sein Vater sei tot. Worauf der Alte mit der Aktentasche in Zorn und Enttäuschung sagt, Dr. Graubner habe einst seine Eltern umgebracht. Die wiederum nicht erstaunte, keineswegs höhnische, nur kühl lächelnde Replik: „Na und? Mein Vater hat Hunderte Menschen hinrichten lassen.“

Peter Simonischek als hier siebzigjähriger Graubner-Sohn Georg bleibt zunächst bei seinem weich intonierten Wiener Schmäh. Doch als der slowakische Herr Ungár, der vor der ergebnislosen Rückreise noch um ein Glas Wasser bittet, sich von der nonchalant schnöseligen Art des Österreichers provoziert fühlt, wirft Simonischeks Graubner scharf ein: „Sind Sie Jude? Wollen Sie Geld?“ Hierauf geht Herr Ungár, nicht ohne dies aus seinem sonst so gefassten, höflichen Wesen herauszulassen: „Sie sind einfach nur ein antisemitisches Schwein!“

Die beiden sind auch äußerlich ein sehr ungleiches Paar. Der hochgewachsene, massige, mit seiner grauen Mähne überaus attraktive Peter Simonischek – und der untersetzte, erst nur pedantisch penibel wirkende Jiří Menzel . Der große tschechische Regisseur (Oscar-Preisträger mit „Liebe nach Fahrplan“), Drehbuchautor und Schauspieler gibt den Holocaust-Überlebenden Ali Ungár, den seine jüdischen Eltern bei Beginn der deutschen Besatzung taufen ließen und bei christlichen Zieheltern versteckt hatten. Menzel, der hier einen Achtzigjährigen spielt, ist gestern in Berlin tatsächlich 80 geworden und hat zum Geburtstag für seine Verbundenheit mit dem Festival eine Berlinale-Kamera erhalten.

Unglaubwürdiger Schluss

Menzels alter Herr ist die Titelfigur in Martin Šulíks „The Interpreter“. Und natürlich werden Ali und Georg, die Ungleichen, fremde Freunde. Denn der Sohn des Opfers hat dem Täter-Sohn eine Biografie des Vaters hinterlassen, die etwas unverhofft (und unwahrscheinlich spät) noch Wirkung zeigt. Plötzlich möchte Graubner an die (einst) tschechoslowakischen Tatorte seines Vaters reisen und engagiert den alten Übersetzer als Begleiter und Sprachführer.

Eigentlich sind solche Täter-Opfer- Kinder-Konstellationen schwer erträglich. Zumal sie als Instrumentalisierung der Schreckens-Schatten so sehr Konjunktur haben. In Büchern und Filmen. Aber Šulíks „Dolmetscher“ findet anfangs durchaus eine eigene Sprache – vor allem dank Peter Simonischeks komödiantischem Spiel als charmanter Kotzbrocken, der auch auf ernster Mission noch den frauenfreudigen Filou rauskehrt (und betont, kein antisemitisches Schwein zu sein). Das hat schwarzen Humor, selbst wenn es dazu einiger „Toni Erdmann“-Zitate nicht bedurft hätte.

Menzel bleibt demgegenüber meist schlagfertig schmallippig. Er weiß, ein Kind der Täter trägt keine Schuld am eigenen Überleben. Das Weiterleben ist eher ein Problem der Opferfamilien. Statt diese Provokation auszuhalten, sucht Martin Šulík zum Ende doch noch die melodramatische Wende, die den Film in der zweiten Hälfte immer konventioneller und den Schluss sehr unglaubwürdig macht.

25.2., 18 Uhr (Cubix 8)

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