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Berlinale Tagebuch: Die Stunde der Wahrheit

Wie ist es, im Mittelpunkt einer Premiere zu stehen? Produzentin Regina Ziegler erzählt.

Hilfe! Hilfe! Ich brauche dringend Hilfe. Ich habe hohes Fieber. In mir brennt es. Meine Krankheit heißt Lampenfieber. Kein Arzt der Welt kann mir jetzt helfen. Ich bin gerade auf der Fahrt zur Weltpremiere unseres Spielfilms „Henri 4“ im Friedrichstadtpalast. Die „wunderbare“ Organisation der Berlinale lässt mich und die Schauspieler eingepfercht in unseren Autos an der Seitenstraße eine halbe Stunde schwitzend warten. Der Chef des Ganzen, der „wunderbare“ Dieter Kosslick, ist noch nicht angekommen, um uns zu begrüßen. Aber so ist das mit den wirklich beschäftigten und wirklich wichtigen Männern! (Wer, wenn nicht wir Frauen wissen damit umzugehen?) Ich denke mir, wer ist denn eigentlich Star der Berlinale? Wer müsste eigentlich auf wen warten? Aber da überkommt mich wieder ein „Fieberschub“ und ich konzentriere mich auf die wirklichen Probleme und Freuden einer Produzentin.

In wenigen Minuten wird das 19-Millionen-Euro-Baby ins Leben entlassen. Erwartungsvolle Zuschauer werden „Henri 4“ zum ersten Mal erleben. Freude und Angst mischen sich zu einem gefährlichen Fiebercocktail. Dann endlich ist es soweit. Der rote Teppich! Mein roter Teppich! Ich schwebe (was bei meinen Rundungen eine super Leistung ist), aber Glück kann Berge versetzen! Der Friedrichstadtpalast ist ausverkauft. Die, die stundenlang an der Kasse Schlange gestanden sind, und für ihre Tickets bezahlt haben, sind natürlich alle gekommen. Aber die „Wichtigs“ haben teilweise ihre Erziehung wieder einmal vergessen. Einige der für sie reservierten Plätze sind leer geblieben (womit man leben kann), ohne abgesagt zu haben (womit man nicht leben kann). Aber meine Familie, meine Freunde und meine engsten Mitarbeiter sie sind da, an meiner Seite und ich denke mir, wie beschenkt ich bin. Ich darf Kunst und Künstler ermöglichen und meine Freunde ermöglichen mich (und die Förderungsmittel auch!). Licht aus, Film an und ein Moment tiefer innerer Ruhe macht sich breit. Wie jeder Produzent weiß auch ich: die Stunde der Wahrheit ist gekommen. 150 Minuten später, Licht an, viel, viel, viel Applaus, ein wenig, wenig Buhrufe. Geschafft! Im doppelten Sinne des Wortes: Geschafft!

PS: Anschließend im Borchardt mit meinem Mann und guten Freunden gelandet, ein guter Wein, leckerer Käse und Bouletten. Endlich Entspannung, die um vier Uhr früh im Tiefschlaf ihren absoluten Höhepunkt findet.

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