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Kummer und Kohl. Younghee (Kim Minhee) findet wieder zu sich, nach dem Ende einer Affäre.

© Jeonwonsa Film

Berlinale Wettbewerb: Reisschnaps gegen Zweifel

Hong Sangsoo variiert in „On the Beach at Night Alone“ sein Lieblingsthema: die Beziehung zwischen Männern und Frauen.

Von Andreas Busche

Das Kino des südkoreanischen Regisseurs Hong Sangsoo ist zum Leben hin durchlässig. Seine Filme drehen sich um existenzielle Fragen über die Beziehung zwischen Männern und Frauen. Seine Drehbücher folgen dem ungezwungenen Fluss der Improvisation, die Dialoge zeigen seine Protagonisten im sichtlich unverfälschten Ringen mit ihren Zweifeln. Nicht selten steht dabei ein Regisseur – Hongs Alter Ego – im Mittelpunkt dieser mäandernden Sinneskrisen.

In „On the Beach at Night Alone“, dem neuesten Film in diesem unaufhörlich wuchernden Gesamtwerk (Hongs nächster Film mit Isabelle Huppert soll bereits im Mai in Cannes laufen), bekommt diesmal ein echter Filmkritiker einen Gastauftritt. Mark Peranson schreibt für das empfehlenswerte Filmmagazin „Cinema Scope“ und ist ein Freund des koreanischen Autorenfilmers. Dass er in „On the Beach at Night Alone“ eine kleine Rolle übernimmt (nicht als Filmkritiker übrigens), hat also biografische Gründe, wie überhaupt einige von Hongs jüngeren Filmen das Spiel mit dem wahren Leben in immer feineren Verzahnungen und Doppelungen fortführen.

Wiederkehrende Elemente: Gespräche, Mahlzeiten, Reisschnaps

Peranson spielt einen Bekannten von Younghees (Kim Minhee) bester Freundin Jeeyoung (Seo Younghwa), bei der die junge Frau nach einer enttäuschten Affäre mit einem verheirateten Mann in Hamburg Unterschlupf findet. Das gemeinsame Essen ist eine von mehreren Gesprächssituationen, die Hongs Filme – man darf wohl sagen: traditionell – strukturieren. In dieser für die verletzte Younghee ungewohnt geselligen Konstellation findet sie zunächst keinen Anschluss, da sich auch ihre Freundin im sozialen Umgang reichlich ungeschickt anstellt. Man sieht im Grunde dabei zu, wie das Sprechen in der zwischenmenschlichen Interaktion langsam zu sich findet. Anfangs noch zögerlich, im weiteren Verlauf des Films – von Gespräch zu Gespräch – aber zunehmend selbstsicherer.

Soju, der koreanische Reisschnaps (auch ein ständiger Begleiter in Hongs Filmen), und Bier helfen, die Zunge zu lösen und bringen die Gesprächssituationen immer wieder unvorhersehbar ins Kippeln. Am schönsten vielleicht, als Younghee, sichtlich angeschickert, mit einer anderen alten Freundin zu knutschen beginnt. Die anwesenden Männer wissen mit diesem impulsiven Ausdruck weiblicher Verbundenheit nichts anzufangen und starren derweil betreten zu Boden.

Jeder von Hongs Filmen fügt sich sein hoch konsistentes Gesamtwerk

Alle Filme Hongs laufen nach einem ähnlichen Muster ab, sein Kino ist ein hoch konsistentes Gesamtwerk. „On the Beach at Night Alone“ ist wie der kürzlich in Deutschland angelaufene „Right Now, Wrong Then“ in zwei Kapitel unterteilt. Auf das erste in Hamburg, dessen hanseatische Sprödheit sich gut mit der Stoik Hongs verträgt, folgt ein längeres in Korea, wo Younghee ebenfalls mit einer Gruppe alter Freunde zusammentrifft. Hier erfährt man dann auch mehr über die Vergangenheit Younghees, einer bekannten Schauspielerin, die nach ihrer Flucht wieder zurückgekehrt ist – beziehungsweise „zurückentführt“ wurde. Den Running Gag um einen mysteriösen Stalker löst der Film nie auf.

In dieser Vorgeschichte kommt es dann zu einer seltenen Verschmelzung von koreanischem Star- und Autorenkino. Denn die berühmte Schauspielerin wird selbst von einem Filmstar dargestellt. Kim Minhee spielte bereits in „Right Now, Wrong Then“ die Hauptrolle. Während der Dreharbeiten verliebten sie und der verheiratete Hong sich ineinander, was in Korea einen Skandal auslöste. Man muss diesen Gossip nicht wissen, um den bitteren Schmerz in den Gesprächen nachzuempfinden. Auch „On the Beach at Night Alone“ ist durchwirkt vom Leben, doch die erzählerische Leichtigkeit kann das taube Gefühl von Ent- und Selbsttäuschung nicht überspielen.

17.2.,9.30 Uhr (Friedrichstadt-Palast), 12.30 Uhr (Zoo Palast), 21 Uhr (Friedrichstadt-Palast); 19.2., 19 Uhr (HdBF)

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