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Rainer Fettings "Potsdamer Platz" von 1993/95 (Ausschnitt).

© Stadtmuseum/Oliver Ziebe

Berliner Bilder im Ephraim-Palais: Die Mauer zuckt als Blitz

Großartige Werke und doch eine langweilige Ausstellung: Im Ephraim-Palais zeigt das Statdmuseum Berliner Bilder von Gaertner bis Fetting.

Als Peter Fox 2008 den Song „Guten Morgen Berlin / Du kannst so hässlich sein“ veröffentlichte, beschrieb er nicht nur das Lebensgefühl eines verkaterten Nachtschwärmers, der in aller Frühe aus einem Club auf die Straße stolpert, sondern auch das ambivalente Verhältnis vieler Berliner zu ihrer Stadt. Berlin als Schönheit zu beschreiben, auf diese Idee käme wohl niemand. Und trotzdem hat es 100 Jahre vor Peter Fox jemand getan: der Architekt und Designer August Endell mit seiner Schrift „Die Schönheit der großen Stadt“. Der Gestalter der Jugendstilfassaden in den Hackeschen Höfen singt in seinem schmalen Büchlein jedoch von einer anderen Schönheit: der Kraft des Urbanen, der Poesie, den rauschhaften Eindrücken in den Metropolen, die man nur zu sehen lernen müsse.

Als professionelle Augenmenschen können Künstler hervorragende Lehrmeister sein. Die Berliner Stadtmalerei stellt da ein ganz eigenes Genre dar, angefangen mit den Panorama-Bildern Eduard Gaertners aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bis hin zu den garstigen Ansichten der Neuen Wilden in den 1980ern. Mit einer Überblicksschau, die als Titel augenzwinkernd Endells Schrift zitiert, gibt Ausstellungsdirektor Dominik Bartmann beim Stadtmuseum seinen Abschied. Mit einer ähnlichen Themenschau begann er 1987 als junger Mann in der West-Berliner Institution. Von Museumsdirektor Paul Spies zu einer „Apotheose“ seines Wirkens aufgefordert, liefert er nun den zweiten Teil: diesmal auch unter Berücksichtigung der Ost-Berliner Maler und jüngerer Werke.

Doch was eine Lieblingsschau für den ewig mit seiner Stadt hadernden Berliner hätte werden können, taugt nicht zur großen Versöhnung. Die Präsentation ist eine schlichte Aneinanderreihung von Gemälden geworden: ein Mittelformat neben dem anderen, als einzige Abwechslung dazwischen Kleinformate. Größeres lassen die niedrigen Räumen im Ephraim-Palais nicht zu. Andere Gattungen – Grafik, Fotografie oder auch nur ein kleines bisschen Film – fehlen ganz. Selten hat man eine durch die großartigen Werke so tolle und doch so langweilige Ausstellung gesehen. In einer wahren Fleißarbeit wurden zu 17 verschiedenen Themenkomplexen – Verkehr, Architektur, Himmel, Baustelle, Arbeit, Kiez – 117 Bilder aus dem Depot in der Spandauer Poelzig-Halle zusammengesucht und gleichmäßig auf die drei Geschosse des rekonstruierten Rokokogebäudes verteilt. Die einzige gestalterische Extravaganz besteht im Dunkelblau der Wände bei den Bildern vom nächtlichen Berlin, dem Grün bei den Vorstadtmotiven.

Melancholischer Blick aus dem Fenster

Wer durchhält und sich auch durch die vielen finsteren Häuserschluchten, die tristen Brandwände nicht in Depressionen stürzen lässt, der wird dennoch fantastische Entdeckungen machen. Das Stadtmuseum hütet wahre Schätze, die hier geballt zum Vorschein kommen.

Dazu gehört etwa Werner-Viktor Toefling, der 1960 den Tauentzien mit Blick über den U-Bahnhof Wittenbergplatz hinweg in lichtem Weiß malte. Oder Wolfgang Frankenstein, der im Ostteil der Stadt Ende der 80er Jahre den verschatteten Häusern ein surreales Eigenleben einhauchte. Menschen sind auf den wenigsten Werken zu sehen, als hätte die feindliche Stadt sie verschluckt. Berlin ist nur etwas für Hartgesottene, das schreit fast jedes Bild heraus.

Sein Haus sei ein Stadt-, kein Kunstmuseum betont zwar Direktor Spies, aber Beckmann, Kirchner, Meidner, Schlichter, Kokoschka, Ury und Corinth kann er trotzdem auffahren. Sie alle ließen sich inspirieren von den scharfen Kanten und Linien der Gebäude und Straßen, den unsichtbaren energetischen Strömen und politischen Spannungen einer Millionenstadt. So mancher hob deshalb ab, ging auf Distanz, um die vielen Eindrücke auf einmal zu verdauen. Die einen schauen von oben auf das Häusermeer wie Oskar Kokoschka, der von der Dachterrasse des Axel-Springer-Hauses in den Ostteil blickt, oder Harald Metzkes, der sich wie ein Vogel über sein Atelier im Prenzlauer Berg erhebt. Die anderen gucken melancholisch aus dem Fenster wie Willy Robert Huth, Rita Preuss oder Ernst Schumacher. Ihre Perspektive auf die trüben Friedenauer Nebenstraßen oder den Kreuzberger Chamissoplatz gibt es so gut wie unverändert auch 60, 80 Jahre später noch.

Nur wenige Bilder aus der Zeit nach 1989

Während im Westteil der Blick immer wieder auf die Mauer prallt, der „antifaschistische Schutzwall“ in den 70er und 80ern zum Hauptthema für die Neuen Wilden avanciert, bleibt das Motiv im Ostteil regelrecht ausgespart. Zu den dramatischsten Bildern gehört Rainer Fettings „Berliner Mauer“, deren obere Kante wie ein greller Blitz von links unten nach rechts oben quer durch das Bild und damit das nächtliche Berlin zuckt.

Mit den Neuen Wilden, den kritischen Realisten hat die Ausstellung fast schon ihre größte Aktualität erreicht. Nur eine Handvoll Bilder stammt aus der Zeit nach ’89. Sollte die Stadt als Motiv ein aussterbendes Sujet sein? Man kann es nicht glauben, zumal angesichts einer Renaissance der Malerei. Hier wäre zumindest ein Ausblick interessant gewesen. Eine Ahnung gibt Stefanie Bürkle, die 1995 die Baustelle am Potsdamer Platz malte. Zugleich tätig als Bühnenbildnerin, erfasst sie diesen Moment größter Veränderung als Theaterstück. Links und rechts rahmen Rohbauten die Szene, ins Zentrum hat sie wie einen Vorhang ein orangenen Bauzaun gerückt. Ganz klein und von den Neubauten fast erdrückt, ist nur noch das titelgebende Weinhaus Huth zu sehen, das letzte historische Relikt.

Ephraim-Palais, Poststr. 16, bis 26. 8.; Di, Do bis So 10 – 18 Uhr, Mi 12 – 20 Uhr. Katalog (Verlag M) 29,90 €.

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