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Kultur: Berliner Finanzkrise: Eins, zwei, drei

In Afrika oder in Südamerika gäbe es in der Situation, in der die Stadt Berlin sich zurzeit befindet, sehr wahrscheinlich einen Militärputsch. "Um Chaos, Misswirtschaft und Korruption in unserem geliebten Vaterland ein Ende zu setzen, sieht die Armee sich verpflichtet, die Macht zu übernehmen.

In Afrika oder in Südamerika gäbe es in der Situation, in der die Stadt Berlin sich zurzeit befindet, sehr wahrscheinlich einen Militärputsch. "Um Chaos, Misswirtschaft und Korruption in unserem geliebten Vaterland ein Ende zu setzen, sieht die Armee sich verpflichtet, die Macht zu übernehmen." Solche Sätze sagen die dann immer im Radio. Aber das wollen wir nicht. Wahrscheinlich sollte man Berlin stattdessen wieder in die Obhut der Vier Mächte geben. Ja: Die Alliierten sollen den maroden Laden einfach wieder übernehmen! Wir haben dann einen amerikanischen, einen französischen, einen britischen und einen russischen Sektor, wir haben vier tüchtige Stadtkommandanten sowie einen Regierenden Bürgermeister, deutsch, der aber zum Glück nicht viel zu melden hat. Wäre das nicht der einzig denkbare Ausweg? Eine andere, deutsche, politische Alternative gibt es offenbar nicht. Der übliche Weg, die Ersetzung einer gescheiterten Regierung durch die Opposition, kann in Berlin wegen der Mehrheitsverhältnisse offenbar nicht gegangen werden.

Zum Thema Online Spezial: Finanzkrise in Berlin Ted: Sind Neuwahlen fällig? Auf verblüffende Weise ähnelt das, was Berlin zurzeit erlebt, dem postkolonialen Trauma der Staaten der Dritten Welt. Auch dort hört man gelegentlich Stimmen - nicht viele, aber immerhin -, die eine Rückkehr der Kolonialherren fordern. Was wiegt schon der Verlust von Freiheit und Ehre, wenn ihr Preis aus Verarmung und politischer Erstarrung besteht, einer zusammenbrechenden Infrastruktur, der Ausplünderung durch eine skrupellose einheimische Machtelite? So denken manche in Afrika.

Das postkoloniale Trauma ist, erklären die Ethnologen und Soziologen, eine Folge lang andauernder Entmündigung. Das kolonialisierte Volk hat vom Gemeinwohl und vom Staat keinen Begriff, woher auch, es denkt nur in den Kategorien Familie, Freunde, Stamm. Was unsereins "Korruption" nennt, heißt dort: für sich und seine Leute sorgen, ein guter Freund sein. Im ersten Stadium des Postkolonialismus verlieren die von den Kolonialherren hinterlassenen demokratischen Institutionen ihre Bedeutung, es gibt kein Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition mehr, stattdessen, wie in Berlin, eine große Koalition der wichtigsten Stammeshäuptlinge. Der Staat verarmt, die Elite wird reich. Man ruft dann nach finanzieller Hilfe von außen - Unesco, Entwicklungshilfe, Misereor, in Berlin: der Bund. Man sagt: Unsere heutige Misere ist eine Folge der kolonialen Vergangenheit. Irgendwie stimmt es sogar. Aber das Geld versickert. Die Hilfe ist nutzlos. Die Helfer resignieren. Am Ende des Postkolonialismus, wenn das Land völlig kaputt und ausgeplündert ist, steht häufig der Bürgerkrieg. Oder ein Putsch. Mit anderen Worten: Am besten kommen die Alliierten so schnell wie möglich.

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