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Berliner Fotokunst: Die Welt von unten

Der Weddinger Künstler Michael H. Rohde wählt in seinen Bildern die Perspektive des kleinen Mannes. "Man muss in den Dreck gucken", ist seine Devise. Ein Hausbesuch.

In Michael H. Rohdes Küche steht natürlich nicht wirklich ein Geldautomat. Er hat ihn hineinmontiert in das großformatige Raumporträt, das in seinem Arbeitszimmer hängt – in diesen Tagen zugleich Ausstellungsraum, wie seine ganze Wohnung. „Own Kitchen“ heißt die großformatige Arbeit, sie zeigt Rohdes private Küche aus Froschperspektive: Tischplatte und Regale von unten, Spültisch und Klappstuhl von unten. Und neben dem Herd der EC-Automat, ganz selbstverständlich, er fällt kaum auf. Wohnen kostet, ohne Moos nix los.

„Politisch-kritisch“ nennt der 51-Jährige solche kleinen Störungen, die er mitunter in seine Bilder einbaut, ein bisschen augenzwinkernd ist das, vielleicht scheint da der ironische Geist des Fotokünstlers Bernhard Blume auf, bei dem Rohde zwei Jahre lang an der HFBK Hamburg Meisterschüler war. Anders als Blume tritt Rohde jedoch nicht in seinen Bildern auf, ihn interessiert der Raum, Tiefe und Perspektive, das Wechselspiel von Ordnung und Chaos.

Man muss in den Dreck gucken

Er kennt beides. Rohde stammt aus dem nordrhein-westfälischen Lippstadt, ist ausgebildeter Maschinenschlosser, studierter Ingenieur, erst mit 30 Jahren kam er zur Kunst. Begonnen hat er mit Fotografien trister Hinterhöfe, denen er digital den Himmel wegschnitt – der lenkt nur ab. „Keine Romantik!“, sagt Rohde, ein ruhiger, ernster Mann mit Hornbrille und grauem Haarknoten, „man muss in den Dreck gucken.“ Dazu kamen Bilderserien von Abbruchhäusern, von Ruinen und eingestürzten Dächern. Keine Sozialromantik, kein Dokumentarismus, sondern komponierte Darstellungen des Zufalls, der „natürlichen Ordnung“, wie Rohde sagt.

Im Wohnzimmer. Michael H. Rohde in seiner Wohnung in der Buttmannstraße 16, die für ihn Lebensraum, Atelier und Galerie zugleich ist. Die Ausstellung „From Below“ läuft dort noch bis 24. März. Öffnungszeiten bitte erfragen unter Telefon: 0151 - 21 77 14 64.
Im Wohnzimmer. Michael H. Rohde in seiner Wohnung in der Buttmannstraße 16, die für ihn Lebensraum, Atelier und Galerie zugleich ist. Die Ausstellung „From Below“ läuft dort noch bis 24. März. Öffnungszeiten bitte erfragen unter Telefon: 0151 - 21 77 14 64.

©  Doris Spiekermann-Klaas

Die Welt von unten, das war dabei seine Perspektive, von Anfang an. Bescheidene Häuserfassaden, die er quietschbunt nachkolorierte, desolate Außen- und Innenräume, die er ineinander übergehen ließ. 2009 war er fünf Monate lang obdachlos in Werneuchen am Rande von Berlin. Während dieser Zeit nahm Rohde seine Schlafstätten von oben auf, Raumporträts aus der Vogelperspektive entstanden (ähnlich wie die des Berliner Künstlers Menno Aden, den wir am 18. Februar in unserer Wochenendbeilage Mehr Berlin präsentiert haben). Während bei Aden die Organisationsstrukturen der Räume im Vordergrund stehen, transportieren die Draufsichten bei Rohde eher eine Stimmung. „Ich bekam keine Wohnung zu jener Zeit, fühlte mich beobachtet und allein gelassen.“ Der Blick von oben als der Blick von Kontrolle und Macht, Big Brother guckt zu – „The Republic in Top View“ heißt denn auch eine der Arbeiten.

Hier geht es weiter: die Pistole unterm Etagenbett

Inzwischen lebt Rohde längst wieder in einer Wohnung. Seine 90 bescheiden eingerichteten, mit Kunst und Material vollgestellten Quadratmeter in der Weddinger Buttmannstraße sind für ihn zugleich Lebensraum, Atelier, Werkstatt, Galerie – und Sitz des von Rohde gegründeten Kunstvereins Wedding. In der ersten Zeit in Berlin schaute er in seinen Arbeiten noch von oben nach unten – auch von seiner Küche gibt es ein Bild in Draufsicht. Doch dann wechselte Rohde die Perspektive, intuitiv, wie er sagt. Holte sich die Kontrolle zurück. Er begann, Räume von unten zu porträtieren: seine eigenen Zimmer, Nachbarwohnungen, Küchen und Bäder von Freunden. Eine Auswahl dieser neueren Arbeiten präsentiert Rohde noch bis Mai in der Ausstellung „From Below“.

"Ich bin kein Fotograf, ich sehe mich als Maler"

Es ist eine kleine Schau, aber beeindruckend. Ein zwei mal drei Meter großes Triptychon an der Wohnzimmerwand, gestürzte Perspektiven im Schlafzimmer, unzuverlässige Fluchtpunkte im Flur. Seine Bilder komponiert Rohde bewusst, setzt sie aus hunderten Einzelfotos zusammen. Schränke legt er auf die Seite, und wenn er eine Duschwanne nicht ausbauen kann, fotografiert er eine im Baumarkt. Am Computer bringt er die Komponenten auf Linie, verzerrt hier, staucht dort, passt Farben und Schatten an – am Ende sind keine Übergänge mehr zu sehen. „Ich bin kein Fotograf“, betont Rohde, „ich sehe mich als Maler – auch wenn ich keinen Pinsel in die Hand nehme.“

Rohdes Blick ist der des kleinen Mannes. Ein Blick nach oben, aufmerksam, gewitzt, voller Details – auch unangenehmer. Wie die Geldmaschine - oder die Pistolen und Bombenbauanleitungen, die im Kinderzimmer unterm Etagenbett klemmen. Oder einfach die Unterseiten von Waschmaschinen und Kleiderschränken, die im Raum zu schweben scheinen und den Blick zur Decke blockieren. „Man kann eben nicht alles sehen“, sagt der Künstler. „Das muss man akzeptieren.“

Die Ausstellung „From Below“ läuft noch bis Mai bei Michael H. Rohde, Buttmannstraße 16. Öffnungszeiten bitte erfragen unter Telefon: 0151 - 21 77 14 64. Mehr Infos unter http://www.michael-h-rohde.de.

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