zum Hauptinhalt
Hülle sucht Inhalt. Die 1832 bis 1835 von Karl Friedrich Schinkel erbaute Bauakademie am Werderschen Markt. Gemälde von Eduard Gaertner (1868).

© akg-images

Berliner Kulturpolitik: Ach du Schinkel

Ein fachfremder SPD-Politiker soll Gründungsdirektor der Berliner Stiftung Bauakademie werden. Unter Architekten und Wissenschaftlern formiert sich Widerstand – bis hin zu einer Klage.

Es begann wie beim Schloss. Zuerst war da der nostalgiebeseelte Wunsch, ein stadtbildprägendes, vom DDR-Regime getilgtes preußisches Symbolgebäude zurückzugewinnen. Dann erst begann man zu überlegen, mit welchem Inhalt man das Faksimile möglichst plausibel füllen könnte. Und um den Sinnsuchern Beine zu machen, stellte der Bundestag schon mal das Geld für den Bau zur Verfügung.

Aber halt, einen Unterschied gibt es. Der 2001 von engagierten Architekten ins Leben gerufene Verein Internationale Bauakademie Berlin hatte sich von Anfang an beides vorgenommen: die Rekonstruktion des Gebäudes, weil es ein „unverzichtbarer städtebaulicher Baustein“ im Herzen Berlins und darüber hinaus ein gebautes, zukunftsweisendes Architekturmanifest von epochaler Bedeutung sei, zum anderen die Neugründung der Institution im Schinkelschen Sinne.

Ein lebendiger Ort für architektonische Dokumentation, Präsentation, Forschung und Lehre sollen hier entstehen, in Kongruenz von Bau und Inhalt.

Die Initiative verlief mangels finanzieller Unterstützung im Sande. Wohl deshalb, weil sich der Geist Schinkels nicht so geschmeidig in die heutige Zeit fortschreiben lässt. Und weil die Vorkämpfer – Josef Paul Kleihues, Oswald Mathias Ungers, Hans Kollhoff, Petra und Paul Kahlfeldt – als Exponenten einer bestimmten Stilrichtung nur einen Teil der Architekturszene hinter sich brachten.

Lust auf mehr

Ihre erste Ausstellung „Die Hand des Architekten“ 2002 im Alten Museum, eine retrospektive Kabinettausstellung von Architekturzeichnungen aus Berliner Sammlungen, hatte zwar Qualität, war aber in ihrer betulichen Belehrsamkeit nicht geeignet, das Feuer für eine moderne Bauakademie zu entfachen und Lust auf mehr zu machen.

Die Diskussion um das Gebäude und die Frage, was denn darin geschehen soll, nahm wieder Fahrt auf, als der Bundestag 2016 überraschend 62 Millionen Euro für den Wiederaufbau bereitstellte.

Ein offener „Programmwettbewerb“ wurde ausgelobt, der ausdrücklich keine konkreten Bauentwürfe forderte, sondern Ideen und Konzepte für die Institution Bauakademie. Nur die Kubatur des Baukörpers war vorgegeben. Und der Wunsch nach „so viel Schinkel wie möglich“.

Das war natürlich Illusion. Die meisten der 78 teilnehmenden Teams arbeiteten sich an Schinkel ab, versuchten irgendwie sinnvolle Nutzungen für den Backsteinbau zu skizzieren, mit Ausstellungsflächen Akademie-, Seminar- und Forschungsräumen, dazu mit Büros für all die Standesvertretungen und Institutionen, die den Finger gehoben hatten und gerne dabei sein wollten.

Eins zu eins rekonstruieren?

Schinkel rekonstruieren oder modern bauen, das ist noch nicht entschieden. Jedenfalls nicht offiziell. Von dem SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs allerdings, der die Bauakademie im politischen Raum verdrahtet, wird erwartet, dass er eine Eins-zu-eins-Rekonstruktion durchsetzt.

Dabei wäre die Sache so einfach. Es gibt genügend Institutionen, Hochschulen vor allem, Stiftungen und Interessenvertretungen, die in Berlin und Deutschland über Architektur forschen. Die als Vordenker fungieren, über Bauen und Gesellschaft nachdenken und Symposien veranstalten. Nicht zuletzt gibt es seit 2006 die Bundesstiftung Baukultur mit genau dem gleichen Auftrag, der allgemein formuliert ist und von den jeweils Agierenden mit Leben gefüllt wird.

Was in Berlin, der Stadt mit den bedeutendsten Architektursammlungen, jedoch fehlt, ist ein Architekturmuseum. Und da man zeitgemäße, tatsächlich international relevante, spektakuläre Architekturausstellungen nicht in Schinkelschen Kabinettsräumen inszenieren kann, ist ein moderner, flexibel zu bespielender Neubau unabdingbar.

Üppig wären die bislang vorgesehenen etwa 4000 Quadratmeter dafür freilich nicht. Ob man den Neubau dann mit Schinkels Backsteinhülle ummanteln mag, ist eine moralische Frage.

Hybride mit Hightech

Viele Architekten können sich eher ein hybrides Spiel zwischen Schinkel und Hightech vorstellen, das die zumindest ideelle Fortschreibung von Schinkels damals revolutionären Vorstellungen schon in der Außenansicht der Bauakademie deutlich macht.

Zurzeit erhitzt ein anderer Disput die Gemüter. Es geht um die Besetzung des Direktoriums. „Als ideale Kandidatin (m/w/d) verfügen Sie über ein abgeschlossenes, für die Themen der Bauakademie relevantes Hochschulstudium; Promotion oder Habilitation sind wünschenswert“, hieß es in der Ausschreibung.

„Sie sind in der Welt des Bauens angesehen und themenübergreifend tätig, kennen und gestalten nationale und internationale Entwicklungen und Debatten im Baubereich mit. Sie haben Erfahrung mit Projekten und Formaten mehrdimensionaler Kommunikation (Museen, Ausstellungen, Messen, Festivals, Konferenzen).“ Der Stiftungsrat entschied sich jedoch für Florian Pronold.

Der gelernte Bankkaufmann, studierte Jurist, Politologe, Soziologe und zugelassene Rechtsanwalt sitzt seit 2002 für die SPD im Bundestag. Als glückloser bayerischer Landesvorsitzender (seit 2009) warf er dort vor zwei Jahren das Handtuch. Vorher war er als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zuständig für die Konstituierung der Bauakademie.

Erster im Bewerberfeld

Als das Bauressort 2018 Horst Seehofers Innenministerium zugeschlagen wurde, blieb Pronold im Umweltressort und kümmert sich seitdem um Klimapolitik. Merkwürdigerweise nahm er die Zuständigkeit für die Stiftung Bauakademie ins fachfremde Ministerium mit.

Als nun das Ergebnis des Berufungsverfahrens bekannt gegeben wurde, rieb man sich die Augen. Man habe Florian Pronold als Gründungsdirektor der Bundesstiftung Bauakademie aus einem „großen und beeindruckenden Bewerberfeld“ auserwählt, so der Stiftungsrat.

Aus dem Auswahlgremium ist zu hören, dass er ein substanzielles Programm vorgestellt und überzeugender gewirkt habe als seine Mitbewerber. Die sieben Politiker, die beiden Fachvertreter in der Findungskommission, die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer Barbara Ettinger-Brinckmann und der Präsident der Bundesingenieurkammer Hans-Ullrich Kammeyer hätten ihn einstimmig gewählt.

Das merkwürdige Verfahren wirft Fragen auf. Wie konnte ein mit der Organisation des Verfahrens betrauter Insider auf die Idee kommen, sich selbst zu bewerben? Welche Strippen hat er gezogen, welche Entscheidungsgänge intern kanalisiert? Warum wurde die fachfremde (und sündhaft teure) Agentur Kienbaum mit dem Verfahren beauftragt, die dann eine Vorauswahl von nur vier Bewerbern traf?

Kür eines Quereinsteigers

Die Empörung in der Fachwelt ist groß und wächst weiter an. Die Verbände und ein vom Deutschen Architekturmuseum initiierter, inzwischen von rund 560 prominenten Architekten, Publizisten und Wissenschaftlern unterzeichneter offener Brief prangern die mutmaßlich politisch begründete Entscheidung an. Der Ruf hochqualifizierter Bewerber, die ernsthafte Programm entwickelt hatten, sei durch die Kür eines Quereinsteigers beschädigt worden.

Zwei der Brüskierten haben den Klageweg beschritten und eine einstweilige Verfügung beantragt. Bis das Amtsgericht Berlin am 7. Januar über die Causa entscheidet, ist das Besetzungsverfahren gestoppt: Noch kann Pronold sein neues Amt nicht antreten. Auch der Posten des Vizedirektors bleibt vorerst wohl vakant.

Wie zu hören ist, fiel die noch nicht offizielle Wahl auf eine Kuratorin, die, so das nachvollziehbare Kalkül, Pronolds Defizit auf dem Gebiet des Veranstaltungs- und Ausstellungswesens ausgleichen soll. Doch diese Kandidatin hätte wiederum nicht die in der Ausschreibung geforderten kaufmännischen Kompetenzen.

Überschneidungen mit der Bundesstiftung Baukultur?

Wenn da nicht schon die nächsten Klagen ins Haus stehen. Wie auch immer der Rechtsstreit ausgeht, Florian Pronold hat kaum noch eine Chance, das Amt sinnvoll auszufüllen. Wie soll er künftig auf einem Feld agieren, auf dem ihm so flächendeckend das Misstrauen ausgesprochen wurde? Er wäre gut beraten, auf seinem Staatssekretärsposten zu bleiben.

Hinzu kommt das ungelöste Verhältnis der Stiftung Bauakademie zur Bundesstiftung Baukultur. Pronold hatte die Stiftung bei der Konstituierung der Bauakademie ausgebootet, obwohl sich die Satzung der Akademie so liest, als sei sie in Teilen von jener der Bundesstiftung abgeschrieben. Es wird Doppelungen und Friktionen geben, Zwiespalte bei Unterstützern und Sponsoren.

Es ist an der Zeit, die vor Jahren geäußerten Bedenken wieder aufzugreifen. Wie wäre es mit einer Bündelung der Kräfte? Eine Fusion der beiden in ihrer Zielsetzung so ähnlichen Institutionen kann der Architektur in Deutschland nur nutzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false