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Kultur: Berliner Kulturpolitik: Ein Ende ist noch kein Neuanfang - Peter von Becker zu den Spar- und Schließungsplänen

Die Situation ist da. Berlins Kultursenator Thomas Flierl und seine Verwaltung prüfen, am Abgrund der Haushaltslage, die Schließung und Beschneidung von Kulturinstitutionen.

Die Situation ist da. Berlins Kultursenator Thomas Flierl und seine Verwaltung prüfen, am Abgrund der Haushaltslage, die Schließung und Beschneidung von Kulturinstitutionen. Zuletzt hatte sich die einst glorreiche Schaubühne dabei selbst ins Gerede gebracht - doch an das letzte große Theater West-Berlins traut sich nach dem Trauma des Schillertheatertods auch (oder gerade) kein Ost-Berliner Senator. Doch wie Christoph Stölzl, Berlins Ex-Kultursenator, sagt: Wir haben "jetzt einen jakobinischen Senat". Da wird es blutige Schnitte geben, zu denen, wie Eingeweihte einräumen, auch die große Koalition schon bereit war, aber den Mut nicht hatte.

Sparen muss sein, und Mut tut gut - wenn es nicht in der Verzweiflung nur Kleinmut ist oder Übermut. Falls es nun dem mittelgroßen Maxim Gorki Theater an die Gurgel gehen soll und dem Ballett der Deutschen Oper, falls man plant, die direkten oder indirekten Subventionen des Berliner Ensembles zum Ende des Vertrages mit Claus Peymann zu kürzen (worauf Peymann stolz und zornig der Stadt den Rücken kehren würde), dann sollte man jenseits aller akuten Probleme und Personalien vor einer torschlusspanischen Entscheidung doch über ein paar Punkte sich Klarheit verschaffen. Der Fall nämlich betrifft nicht nur die Misere Berlins. Es geht inzwischen um das Gesicht des Landes, nicht bloß um lokale Gesichtspunkte.

Als Bundespräsident hatte Richard von Weizsäcker in einer programmatischen Rede gesagt, dass zum Verständnis der deutschen Verfassung der Kulturstaat ebenso gehöre wie der Sozialstaat. Kultursubventionen seien keine "freiwilligen" Leistungen, sondern Pflichtaufgaben der öffentlichen Haushalte. Das sagt sich naturgemäß leichter in besseren Zeiten. Mittlerweile aber klagt nicht nur Berlin, es klagen auch der Deutsche Städtetag und die Länder über zunehmende Notlagen. Nicht nur der Bund, die gesamte Bundesrepublik kämpft mit ihren Schulden und dabei auch mit den Maastricht-Kriterien. Und das ist kein Fall der Schröder-Regierung mehr: Es ist die nun völlig offenbar gewordene Rechnung der deutschen Einheits-Kosten und der nach 1990 als "Immer weiter so" betriebenen Problemverdrängungspolitik. Reformstau, nicht erst jetzt, an allen Orten.

Deutschland (und Berlin) werden sich nur erneuern durch Rationalisierungen im öffentlichen Dienst, auf dem Arbeitsmarkt und durch den Abbau von Subventionen in überlebten Wirtschaftssektoren. Sind aber Kultur- und Wissenschaft, die weniger als zwei Prozent unserer Staatsausgaben ausmachen, überlebt? Und wird nicht gerade dort zu Tode gespart, wo in Deutschland Zukunft ist, wo spezifische Stärken liegen? Kunst, Musik, Theater und Wissenschaft sind die wesentliche Attraktion der deutschen Hauptstadt - hier wird nicht nur Geld ausgegeben, sondern als "Standortvorteil" bei Arbeitsplätzen und im Tourismus Geld verdient. Ein geschlossenes Theater, zumal als denkmalgeschützte und damit kommerziell nicht anderweitig nutzbare Immobilie, es kostet noch Jahre nach der Schließung viel Geld (bei 80 Prozent Fixkosten) und nimmt keines mehr ein. Nein, das Unbezahlbare und Menschenwürdige namens Kultur ist auch wirtschaftlich mehr als ein Luxus. Und eine Hauptstadt sozial und kulturell am Bettelstab zu halten, ist selbst eines angeschlagenen, aber von privatem Reichtum gesegneten Staates unwürdig. Also muss für Berlins Kulturinstitutionen über Einzelfälle hinaus nach Lösungen gesucht werden: im Zusammenspiel von Bund und Ländern, beim Preußischen Kulturbesitz - mit einem neuen Hauptstadtvertrag.

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